Die Blendende Klinge
nie den Versuch unternommen. Meena fiel General Gad Delmartas Säuberung zum Opfer, sie wurde zusammen mit dem Rest der Familie die Stufen der großen Pyramide hinuntergeworfen. Siebenundfünfzig starben allein dort.
Ich frage mich, ob Meena wohl eine Wandlerin geworden wäre, eine Kriegerin wie ich. Ich hatte keinerlei Interesse am Kampf, bis dieser Schlächter meine ganze Familie umgebracht hat. Dennoch wurde ich keine schlechte Kriegerin. Wenn auch offensichtlich keine ausreichend gute.
Und nun ist meine Zeit um.
Mit der Präzision, deren nur die besten Blauen fähig sind, studiere ich das rote Zelt, meine Zelle.
Die Schlacht um Garriston hätte mein letzter Kampf werden sollen. Usef und ich wurden von den Wichten überwältigt und von den anderen altgedienten Wandlern getrennt, die sich freiwillig gemeldet hatten, um lieber bis zum Tod zu kämpfen, als sich der Befreiung zu unterziehen.
Usef und ich hatten im Krieg der Prismen auf verschiedenen Seiten gekämpft – im Krieg des Falschen Prismas, dem Krieg der Guiles. Eine meiner besten Freundinnen aus der Chromeria hatte Usefs erste Frau getötet. Und Usef hatte wiederum sie getötet. Usef und ich hatten reichlich Gründe, einander zu hassen. Stattdessen haben wir uns verliebt. Zwei gebrochene Krieger, die des Krieges müde waren.
Wir hatten uns dafür entschieden, unser letztes Gefecht gemeinsam auszutragen. Alle altgedienten Wandler hatten sich zu Paaren zusammengefunden und waren jeweils mit einer Pistole und einem Dolch bewaffnet worden. Alle standen wir kurz davor, den Halo zu durchbrechen. Dem Ersten, dem dies geschah, würde sein Partner oder seine Partnerin ein Ende setzen, ihn von seinem Wahnsinn erlösen. Und wer allein übrig geblieben war, war selbst dafür verantwortlich, seinem Leben ein Ende zu setzen.
Ich fragte mich, ob Usef wohl in der Lage sein würde, mich umzubringen, wenn es so weit war. Usef war ein Blauer, aber auch ein Roter. Blau und Rot – daher rührte sein Spitzname: der Purpurne Bär. Er hasste diesen Namen leidenschaftlich, war der Meinung, dass er ihn lächerlich mache. Aber ich habe ihm erklärt, dass für ihn gar kein anderer Name in Frage kam. Usef war mehr als einen Kopf größer als die meisten anderen Männer, stämmig, mit großem Brustkasten, dichter Behaarung und buschigen Augenbrauen; er trug einen vollen, wilden Bart und langes, zerzaustes Haar. Er war ein Bär und ein diskontinuierlicher roter und blauer Bichromat. Dass er sich beschwerte, wenn man ihn den Purpurnen Bären nannte, hatte nur dazu geführt, dass der Name erst recht hängenblieb.
Usefs Brust zerplatzte, als eine Granate das Gebäude hinter ihm traf. Unmöglicherweise blieb er stehen, blickte sich nach mir um, war erleichtert, mich zu sehen, erleichtert, dass ich unverletzt war. Sein Mund bewegte sich. Und dann starb er.
Ich hob meine Muskete auf und dann auch seine, aber statt sie auf mich selbst zu richten, griff ich die Schweine an. Fand die Kanoniere. Metzelte sie nieder. Und dann zerbrach mein Halo.
Zuerst dachte ich, ich sei von Musketenfeuer getroffen worden. Ich verlor das Bewusstsein und war überzeugt zu sterben. Und war damit einverstanden.
Ich liebe dich, mein Purpurner Bär.
Ich erwachte in einem völlig abgedunkelten Wagen, und mir war noch schlechter als einem Lichtkranken.
Schließlich, vielleicht Wochen später, wurde der Wagen zu einer anderen Verwendung aus Garriston abgezogen. Ich erholte mich, und nun bin ich jeden Tag in diesem Zelt. Hin und wieder kann ich Bruchstücke der Gespräche von Soldaten oder Bauern aufschnappen, die vorbeikommen, aber was ich mir daraus zusammenreime, ist reine Spekulation. Offensichtlich marschieren wir unter Führung dieses Farbprinzen, und obwohl unser Zug riesig zu sein scheint, legen wir jeden Tag eine beträchtliche Strecke zurück.
Nach der an manchen Tagen spürbaren Aufregung und dem Rauchgeruch zu schließen, der aber kein Geruch von brennendem Holz war, müssen wir uns weit genug südlich gehalten haben, um das Karsos-Gebirge zu umgehen, und inzwischen in Atash sein.
Bevor wir aufbrechen, werden mir jeden Tag Ketten angelegt und die Augen verbunden, aber auf andere Weise bin ich bislang nicht belästigt worden. Ein Glück, das mir ungewöhnlich erscheint. Gut, ich stehe inzwischen auf der falschen Seite der vierzig, aber als Kriegerin bin ich seit langer Zeit, für den Fall, dass ich gefangen genommen werde, auf Gräueltaten eingestellt. Schwache Männer mögen es, Frauen zu
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