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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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und jede Menge Kummer, und doch gaben sie ihm großzügig das wenige hin, was sie hatten.
    »Mein Volk!«, rief Gavin, und seine Stimme nahm seinen Rednertonfall an, den Tonfall des Generals. »Geknechtet, notleidend, vom Kummer heimgesucht, aber nicht entmutigt. Mein Volk, meines Herzens liebstes Kind …« So sprach er. Er gebot ihnen, sich zu erheben, und sie erhoben sich. Er hätte ihnen gebieten können, in den Rachen der Hölle hinabzusteigen, und sie hätten es getan und die ganze Zeit sein Loblied gesungen. Er hatte ein Händchen für so etwas. Nicht dass er dazu geboren gewesen wäre, aber er hatte seine Krone gestohlen und sie mit eigenen Händen so lange bearbeitet, dass sie ihm nun passte.
    Er sprach ihre Ängste an und befeuerte ihre Wünsche, er gestand ihnen ihre Sorgen zu und würdigte ihre Opfer, er wappnete sie für die kommenden Entbehrungen und machte, dass sie sich über all das erhaben fühlten.
    Mit welchem Recht missbrauche ich Menschen, mache sie meinem Willen untertan? Oder gibt es da gar kein Recht, nur eine Begabung? Sind diese Frauen hier nur die Sklaven auf meinem Piratenschiff? Sind diese Kinder bloße Opfer auf der Bahn meiner Heimsuchung?
    Doch er sprach weiter, beschwor Frieden und den aufrichtigen Umgang mit den Menschen auf der Seherinsel, schuf Grundlagen, räumte offen die Schwierigkeiten ein, die auf sie zukamen, und stellte sich mit ganzer Seele hinter Corvan.
    Er beteuerte, dass er bei ihnen sein würde, wann immer er konnte, und dass, wenn er sie verließ, er das nur tat, um sie besser beschützen zu können, und dass er immer zurückkommen würde. Er würde immer mit ihnen arbeiten und alles Leiden verhindern, das er verhindern konnte, und die Toten mit ihnen betrauern, wenn der Tod einmal nicht zu vermeiden war.
    Gavin bemerkte, dass sich unter den Leuten mindestens zwei Schreiber befanden, die jedes seiner Worte festhielten. Er war überrascht, dass sich hier unter den Armen Schreiber befanden, aber er hätte nicht überrascht zu sein brauchen. Natürlich hatte Corvan die Flüchtlinge auf der Suche nach Schreibern abgeklappert, so dass sie Kopien seiner Anordnungen an all die weiterverteilen konnten, die weit draußen in den Wäldern kampierten und zudem in der Lage waren, Nachrichten an die Seher zu senden.
    Diese Beobachtung ließ ihn seine Worte mäßigen. Er hoffte, dass es Monate dauern würde, aber irgendwann würde sein Vater unvermeidlich eine Abschrift jedes seiner Worte in Händen halten. Dennoch: Der Nutzen, den ihm all das bringen würde, indem es seine Unterstützung durch die Flüchtlinge auf eine breitere Basis stellte, machte den Schaden wett, den er sich später damit einhandeln würde.
    Nicht einmal du wirst dies aufhalten können, Vater.
    Und zuletzt, nachdem er sie darauf vorbereitet hatte, dass das Spektrum und die anderen Satrapien auf sie herabschauen würden – als würden sie sich um derlei scheren, wenn der Hunger in ihren Eingeweiden wühlte –, verpasste er der versammelten Zuhörerschaft noch ein paar Streicheleinheiten, pries sich selbst als deren Vorkämpfer und verkündete die neue Satrapie.
    Tobender Beifall stieg aus den Reihen auf.
    Ich habe wirklich ein sehr, sehr gutes Händchen für so etwas.
    Sie schienen ihn förmlich anzustrahlen. Vielleicht war er ein begabter Redner; mit Sicherheit war er ein begabter Wandler, vielleicht der beste seit vielen Jahren. Er hatte ein Anrecht auf ihren Respekt und ihre Bewunderung, aber ihre Liebe verdiente er nicht. Er wunderte sich, dass er der Einzige war, dem das klar zu sein schien.
    Eine halbe Stunde später glitten er und Karris mit wenig mehr davon, als sie drei Monate zuvor mit sich geführt hatten. Er erklärte sich nicht. Sie hatte das Blut an ihm gesehen, als er am Abend zuvor zurückgekommen war. Sie hatte den Ausdruck seines Gesichts gesehen. Sie schalt ihn nicht dafür, dass er ohne sie gefahren war. Sie kannte ihn. Und ohne überhaupt zu fragen, ob sie denn gingen, hatte sie sich schon von allen verabschiedet. Sie wusste es.
    Als sie zum Strand hinabgingen, versammelte sich die Menge noch einmal, und als sie winkten, jubelte sie laut. Männer und Frauen weinten um Gavin. Ihm strömte eine Liebe entgegen, die an Wahnsinn grenzte und die Gavin nicht verstehen konnte, die er aber doch hochschätzte. Und dann verließen sie die Insel.
    Während hinter ihnen die Seherinsel langsam in der Ferne verschwand, warf Gavin unbehagliche Blicke über seine Schulter zurück. Er und Karris

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