Die Blendende Klinge
er bewältigen konnte, blaue Projektile herausgeschossen. Und sich dabei gegen die Wand zu stützen bewahrte ihn davor, herumgeworfen und vernichtet zu werden.
Die grüne Luxin-Wand ihm gegenüber war handtief zerfressen und schartig. Zuerst hatte es ihn mächtig in Harnisch gebracht. Die Wände der blauen Kammer hatte sein Bruder dünner gemacht, und der Blauwandler in Dazen hatte erwartet, dass jede Kammer genau die gleichen Ausmaße hatte. Aber sein Bruder wusste, dass Grün schwächer war als Blau, und so hatte er natürlich die grünen Wände dicker gemacht. Das war nur logisch. Der Blaue in ihm hatte sich wieder beruhigt.
Er wählte seine Ziele mit mathematischer Präzision, um sich die Struktureigenschaften des grünen Luxins zunutze zu machen. Er wusste natürlich nicht, ob er die richtige Wand gewählt hatte. Die Kugelform seiner Kammer erlaubte das nicht. Wenn sein Bruder irrationalerweise eine Mauer dicker gemacht hatte als die anderen, könnte Dazen einfach nur Pech haben und die dickste Wand gewählt haben.
Das machte ihn rasend. Diese Ungewissheit. Die fehlende Genauigkeit. Es war falsch. Er verschwendete mindestens einen Tag in der Woche mit dem lähmenden Versuch herauszufinden, ob es eine Möglichkeit gab zu bestimmen, welche Wand die richtige war. Stunden in müßigen Berechnungen vertan, wo Handeln geboten war.
Es war ein warnendes Zeichen dafür, wie tief das Blau in ihn eingesunken war.
Aber er hatte all das niedergekämpft, wie er alle Kämpfe siegreich durchkämpft hatte. Wie er selbst seinen Bruder niederkämpfen würde.
Er atmete tief durch, zehn Mal, sammelte seinen Willen. Jedes Projektil, das er abgefeuert hatte, hatte ihm Schmerzen zugefügt, seinen geschwächten Körper gegen die Wand geschmettert. Aber Dazen konnte nicht nachgeben, konnte keine schwachen Schüsse abgeben. Schwache Schüsse bedeuteten, dass er die Tage, die er gebraucht hatte, um das benötigte Blau zu wandeln, vergeudet hatte. Die Wände konnten jeden Moment nachgeben. Sie konnten mit dem nächsten Versuch nachgeben.
Oder es konnte natürlich noch weitere zwanzig brauchen, und Gavin könnte jeden Augenblick zurückkommen und …
Nein! Denk nicht daran. Mach es einfach. Schmerz bedeutet nichts. Schmerz ist nur ein Hindernis auf dem Weg in die Freiheit. Niemand kann mich aufhalten. Ich lasse mich nicht aufhalten. Ich werde meine Rache haben und meine Freiheit, und die, die mir das angetan haben, werden vor mir zittern.
Er atmete zum zehnten Mal, stützte seinen rechten Arm mit dem linken ab und sammelte seine Kräfte. Alte Narben auf seiner Haut rissen auf, als das blaue Luxin durch seine Haut fuhr.
Dazen schrie vor Wut, Verzweiflung und Hass, schrie seinen reinen, herrlichen Willen hinaus. Mit unglaublicher Gewalt schoss ein Projektil aus seinem Körper.
Während des Kriegs des Falschen Prismas war er einmal von einem Kriegshammer in die Brust getroffen worden. Die Waffe hatte seinen Schild und eine Rippe zerbrochen. Doch nun war sein Körper geschwächt, und dies hier war noch schlimmer. Er verlor das Bewusstsein.
Aber als er die Augen wieder öffnete, sah er seinen Sieg. Das grüne Luxin war geborsten. Einige wenige fadenförmige Fasern hielten noch, insgesamt jedoch war es geborsten. Er konnte die Dunkelheit dahinter sehen. Sein Gefängnis war aufgebrochen.
Mit einer ruhigen Willensstärke, die ihn in seinen jüngeren Jahren verblüfft hätte, trank er ein wenig Wasser und aß ein Stückchen von seinem Brot. Nicht genug, dass sein so lange leerer Magen hätte revoltieren können.
Dann, erst dann, wandelte er einen winzigen grünen Faden. Er war Licht, er war Leben, er war Macht und Verbindung, Wohlbefinden und Kraft.
Erst jetzt erlaubte er sich einen Augenblick des Triumphs. Er hatte es geschafft. Er hatte es wirklich geschafft. Er war tatsächlich nicht aufzuhalten. Er war ein Gott.
Grinsend stand er auf. Seine Beine zitterten, aber er war stark genug, um stehen zu bleiben und zu dem Loch hinüberzuwanken. Er riss das grüne Luxin mit bloßen Händen weg und öffnete das Loch weit genug, um hindurchspähen zu können. Um hindurchzukrabbeln, sobald er noch etwas mehr Kraft gesammelt hatte.
Er steckte den Kopf durch die Öffnung und wandelte ein wenig unvollkommenes Grün in seine Hand, badete die Finsternis in schwaches grünes Licht. Das grüne Ei, in dem er gefangen gewesen war, befand sich, wie es schien, innerhalb eines größeren Tunnels, der nur ein wenig breiter war als das Ei selbst. Es
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