Die Blendende Klinge
sie fortgehen könnten.«
Corvan setzte seine Teetasse ab. »Entschuldigung, Gavin, aber du vergisst, wie gut ich dich kenne. Da steckt noch mehr dahinter als nur das.«
Gavin grinste. »Ich bin darauf angewiesen, dass du an mich glaubst, Corvan. Wenn es so weit ist. Es kommen Zeiten der Krise, und ich werde schnell handeln und mich bewegen müssen. Ich muss sofort wissen, dass du mir den Rücken freihältst.«
Corvans Rücken versteifte sich, er zog die Stirn in Falten, und sein Blick wurde finster. Gavin hatte ihn seit vielen Jahren nicht mehr verärgert erlebt. »Manche Menschen glauben an Orholam, manche an Gold, ich aber glaube an dich, und daran werde ich immer festhalten. ›Treue einem‹, wie du sicher weißt.«
»Du erachtest es also als meiner unwürdig, dir diese Frage zu stellen?«, erkundigte sich Gavin.
Corvan kniff die Lippen zusammen, und seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
»Ist es wohl«, beantwortete Gavin seine Frage selbst. »Du hast es selbst mehr als deutlich gemacht. Aber deine Treue wird auf die Probe gestellt werden.«
»Und wird aus diesem Feuer zweifellos reiner als zuvor hervorgehen.«
»Danke, Corvan. Entschuldige: Satrap Danavis.«
»Lord Prisma«, sagte Corvan gefasst. »Danke für das, was du getan hast. Mit dem blauen Gottesbann. Ich weiß … ich weiß, es muss schrecklich gewesen sein, aber ich danke dir dafür, dass du es getan hast.«
Gavin stand wortlos auf und drehte den Kopf nach rechts und nach links. Er hatte das Volk auf den großen Platz rufen lassen. Es gab Pläne, ein Stadion zu errichten, aber sie waren damit noch nicht weit gekommen. Ungeachtet dessen wollte er eine Rede halten. Unterstützung für Corvan zusammentrommeln.
»Lord Prisma«, sagte Corvan leise. »Ich weiß nicht, ob ich ein Satrap sein kann. Selbst wenn es nur eine zweitrangige Satrapie ist.« Es war eine schonend vorgebrachte Bitte um Gnade: erst das Thema wechseln, dann sein Sätzchen über Gavins Gemetzel an den Blauwichten und schließlich damit herausrücken.
»Unsinn. Es ist nicht anders, als General zu sein, außer dass du kaum einmal zusehen musst, wie deine Leute sterben, falls du nicht gut darin bist.«
Der General schnaubte skeptisch. Angesichts der Umstände, des Umfelds, in das er sein Volk führte, würde es natürlich schwieriger sein, und das wussten sie beide. Dann kniff Gavins Freund die Augen zusammen. »Gavin«, sagte er. »Die Rebellen haben meine Tochter. Wenn du mich zu einem Satrapen ernennst, macht das Liv für sie tausendmal wertvoller.«
Corvan hatte schon immer eine schnelle Auffassungsgabe besessen.
Gavin sah zu den Leuten hinüber, die sich auf den Stadionsplatz drängten, sich versammelten, um ihm zuzuhören, in der Hoffnung, dass er zu ihnen sprach oder dass sie zumindest einen Blick auf ihn erhaschen konnten. Dann erwiderte er: »Du weißt, was man auf keinen Fall mit der Tochter eines Satrapen machen kann, wenn man sich um die Unterstützung der neutralen Parteien bemüht?«
Ausnahmsweise hatte Corvan nicht sofort eine Antwort parat.
»Sie umbringen«, erklärte Gavin. »Ich halte mein Auge auf dich, Corvan. Ich werde es nicht vergessen.«
Corvans Gesicht verzerrte sich für einen kurzen Moment, in plötzlichem Kummer, plötzlicher Hoffnung, und eine mächtige Bewegung durchlief seine Schultern. Er wandte den Blick von Gavin ab, versuchte, sich zu fassen. Dann sackte er auf die Knie und weiter, lag ausgestreckt zu Gavins Füßen. Eine Geste nicht nur von Respekt und Dankbarkeit, sondern von Verehrung. Anbetung.
»Du würdest so etwas tun? Für mich?«, fragte Corvan.
»Ich tue es aus vielerlei Gründen, mein Freund. Es gibt keine reine Uneigennützigkeit.«
»Dennoch bleibt die Uneigennützigkeit. Ich kenne dich.«
»Steh bitte auf, mein Freund, das wird peinlich.« Und in der Tat, rings um den Platz und auf den holzgezimmerten Balkonen der goldenen Gebäude fielen Männer und Frauen – und selbst Kinder, die gar nicht wissen konnten, wem sie hier ihre Ehrerbietung erwiesen – auf die Knie oder warfen, wenn genug Platz vorhanden war, ihre Gesichter zu Boden.
Es rührte Gavins Herz. Sie hatten alles verloren, weil er gescheitert war. Keiner von ihnen hatte sich in den letzten Monaten sattgegessen, weil niemand wusste, wie lange ihre Vorräte reichen würden. Jeder hatte vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang gearbeitet, jeden Tag. Sie lebten in großen Langhäusern, zusammen mit Fremden. Sie hatten kein Vermögen, wenig Hoffnung
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