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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Blidenmannschaft. Für Liv war das alles erschreckend und ganz weit weg. Auf der großen hellbraunen Mauer war ein Fleck, als hätte ein Riese auf seinem Arm eine Stechmücke zerquetscht.
    Liv wandelte Ultraviolett und fühlte die paradoxe Erleichterung der Gefühllosigkeit. Hier war eine Logik am Werk, eine Logik hinter all dem Entsetzlichen. Wenn sie die Stadt angriffen, wie viele Männer und Frauen würden wohl allein schon beim ersten Angriff sterben? Besser, wenn eine Frau geräuschvoll und auf schreckliche Weise starb – aber bei alledem doch schnell und ohne große körperliche Schmerzen –, als wenn Tausende bei der Einnahme der Stadt ihr Leben ließen. Und Zehntausende, wenn sie die Stadt erst einmal eingenommen hatten. Wenn die Bewohner von Idoss das Blut von tausenden Freien vergossen hatten, würde es der Farbprinz nicht verhindern können, dass die Übrigen schreckliche Rache übten. Es würde die völlige Vernichtung der Stadt bedeuten.
    Auch wenn sie keine Sklaven mehr waren, waren die Sklaven von Laurion doch auch keine unbeschriebenen Blätter, sie waren nicht einfach unschuldige Bauernjungen, die versklavt worden waren und jetzt zu einem Leben in Frieden zurückkehren konnten. Viele waren schon brutale Kerle gewesen, bevor das brutale Leben von Minensklaven ihr Los geworden war. Nach Laurion kamen Banditen, Piraten, Vergewaltiger, Rebellen und Aufwiegler von Sklavenaufständen. Wie groß der Anteil dieser Männer insgesamt war, konnte Liv nicht sagen, doch selbst in ihrer Wandlerkleidung wurde ihr bisweilen unbehaglich, wenn sie spätabends durch das Feldlager ging. Was würde passieren, wenn man diese Männer auf die Bewohner einer Stadt losließ, die ihre Freunde ermordet hatten?
    So war es besser für alle, ein paar unglückliche Frauen ausgenommen. Opfer. Die Stadt musste eingenommen werden, und dies war die beste Methode, es zu bewerkstelligen. Besser, es starben wenige als viele, oder etwa nicht? Der Wunsch, die großen Schrecken zu verhindern, verlangte dieses Opfer von ihnen. Unter Bedingungen des Krieges war dies die moralisch beste Art, ihn zu führen, so schrecklich es auch sein mochte.
    Kein Feuer von den Stadtmauern erwiderte ihren Angriff, und die Stimmung entspannte sich schnell. Der Farbprinz drehte sich zu Liv um. Wieder erschreckte sie sein Gesichtsausdruck, aber diesmal dauerte der Schock nur eine halbe Sekunde. Auf den ersten Blick sah er wirklich wie ein Unmensch und Ungeheuer aus. Und doch war er ihr gegenüber einfach nur ehrlich gewesen, auch wenn er bittere, grausame Wahrheiten ausgesprochen hatte. Er hatte sie als diejenige gesehen, die sie war, als das, was sie war. Und auch wenn sie nur ein tyreanisches Mädchen war, behandelte er sie so, wie sie es verdiente. Er sagte: »Ich gebe Euch ein Pferd, fünfhundert Danare und die nötigen Passierscheine.«
    »Das ist wirklich nicht …«, begann Liv.
    »Ich bin noch nicht fertig. Wenn Ihr geht, könnt Ihr niemals wieder zurück. Ihr werdet mein Feind sein, und ich werde Euch nie mehr vertrauen. Und wenn Ihr jetzt nicht geht, so werdet Ihr niemals gehen. Ihr werdet Euch noch heute entscheiden, so oder so. Ich war geduldig mit Euch, aber ich muss wissen, ob ich auf Euch zählen kann. Also? Erlebt uns von unserer schlimmsten Seite, und dann trefft Eure Entscheidung. Ich gebe Euch Zeit, bis die Stadt gefallen ist. Dann marschiert mit uns ein oder geht Eures Weges.«
    Die zweite Frau schrie die ganze Zeit, als sie nach vorn gebracht wurde, schrie so laut, dass Liv nicht daran zweifelte, dass man sie bis zur Mauer hören konnte. Der Farbprinz befahl den Männern, sie schreien zu lassen. Sie klammerte und verknotete sich in die Seile des Korbes, was die Techniker der Blidenmannschaft für einen Moment aus dem Konzept brachte. Aufgrund der ungeheuren Katapultwirkung würde die Frau auch so aus dem Korb geschleudert werden, aber Flugbahn und Flugweite könnten ernsthaft beeinträchtigt werden, so dass es ihnen vielleicht wieder nicht gelang, über die Stadtmauer zu schießen.
    Sie lösten das Problem, indem sie sie aus dem Korb herauszerrten und ihre Hände mit einem großen Stein zerschmetterten. Dann brachen sie ihr sicherheitshalber auch noch die Ellbogen. Sie kreischte und kreischte, und Liv ertappte sich bei dem Wunsch, die Frau möge doch bitte still sein und einfach sterben.
    Aber der Farbprinz wartete, bis die Viertelstunde verstrichen war. Pünktlich gab er das Kommando.
    Das zerrende Schlagen und Zischen des

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