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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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gute Frau.
    »Wir sind bereit«, raunte der Blidenmeister dem Farbprinzen zu.
    Der Prinz winkte Liv nach vorn. Seine Augen wirbelten rot, dann blau, dann wieder rot. »Sagt mir, Liv. Soll ich bis Mittag warten oder ihnen zeigen, was es bedeutet, mich wütend zu machen?«
    Es war keine Minute mehr bis Mittag. Liv sah sofort, dass ein Teil von ihm die Stadt dafür bestrafen wollte, dass sie sich ihm in den Weg gestellt hatte; dass er sie dafür bezahlen lassen wollte und er befürchtete, dass sie sich zu schnell ergeben könnte. Liv hatte ihren Brief noch nicht zu Ende gelesen. Sie zögerte. Irgendwie kam es ihr so vor, als sei das wichtig. »Ihr könntet sie womöglich in ihrer Entschlossenheit zum Widerstand bestärken, wenn Ihr sie glauben macht, Ihr hättet nicht fair gehandelt. Ihr habt ein Ultimatum gestellt und die entsprechenden Konsequenzen angekündigt – lasst es ihre Schuld sein, wenn diese Frau stirbt.« Aus irgendeinem Grund musste sie den Brief erst fertig lesen, bevor die Frau starb.
    Die Anspannung des Farbprinzen ließ nach. »Ja, ja, natürlich. Es wäre falsch, zu früh anzufangen.« Dann flutete Orange in seine Augen, und plötzlich schien er die Spannung zu genießen, die er erzeugt hatte.
    Sie begriff, dass sie recht gehabt hatte. Er hatte sie nach ihrer Meinung gefragt, weil ihm ihre Meinung wichtig war. Sie – sie  – war clever genug, stark genug, um sein Vertrauen zu verdienen. Sie war kein Kind mehr.
    Sie las weiter: »Livi, ich weiß nicht, welche Lügen sie Dir erzählt haben, aber die Leute, denen Du Dich angeschlossen hast, sind Unmenschen. Wenn Du bei ihnen bleibst, wirst Du selbst zum Unmenschen. Wir haben unsere Heimat verloren, aber komm trotzdem heim, Livi. Es spielt keine Rolle, was passiert ist. Es spielt keine Rolle, was Du getan hast. Ich liebe Dich. Papa.«
    Komm nach Hause und gib zu, dass du dich geirrt hast. Mein Arm umspannt all die alten Regeln und Gesetze, die du verstehst. Ich umarme dich, lege wieder den Mantel der Kindheit um dich. Und es wird dort warm und sicher sein.
    »Es ist unmenschlich, nicht wahr?«, sagte der Farbprinz leise zu Liv. Dabei hielt er seinen Blick weiter auf das Tor gerichtet.
    »Ich würde sagen, es …«
    »Unmenschlich, unter welchen Bedingungen sie einen Ort wie Laurion in ihrer Gewalt halten und dann uns als Ungeheuer bezeichnen, nur weil wir einen Sklavenhalter, diese Frau, bestrafen wollen. Wie viele Sklaven, glaubt Ihr, hat sie besessen? Wie viele hat sie geschlagen oder in die Minen und Bordelle geschickt? Oder ihrem Mann zu entehren erlaubt? Unmenschlich, wie sie unsere Herzen zwingen, sich gegen unsere eigenen Interessen zu wenden. Sie haben uns in diese Sache hineingezwungen, Aliviana. Sie haben dieses System errichtet. Sie haben es so eingerichtet, dass wir es nicht von innen her verändern können. Sie haben es so eingerichtet, dass wir töten müssen, um aus ihm auszubrechen. Wenn wir Unmenschen sind, sind wir nach ihrem Ebenbild geschaffene Unmenschen.«
    Alle Augen waren auf das große Stadttor gerichtet. Auch auf der Stadtmauer drängten sich die Zuschauer.
    »Ganz gleich, ob sie nun kämpfen oder kapitulieren, Aliviana, hier werden weniger Menschen sterben, als in Laurion pro Jahr gestorben sind. Und wir haben Laurion auf ewig ein Ende gesetzt. Opfer, Liv. Man muss Opfer bringen.«
    Auch wenn sie es besser wusste, hoffte Liv doch, dass sich die Tore in letzter Sekunde noch öffnen würden, dass eine flatternde Flagge erscheinen würde. Dem war nicht so.
    »Mittag«, ließ sich eine Stimme aus der Mannschaft des Blidenmeisters vernehmen.
    »Fangt an«, rief der Farbprinz.
    Die alte Frau schrie auf: »Nein, bitte! Ich habe niemandem ein Unrecht …«
    Der den Wurfarm fixierende Bolzen wurde herausgeschlagen. Das riesige Gegengewicht kam heruntergerast, schwang unter die großen, ächzenden Stützbalken, und der längere Wurfarm peitschte in die Höhe, als die Seile den Korb mit unglaublicher Geschwindigkeit gen Himmel schossen. Doch das Geräusch der durch die Luft zischenden Seile wurde vom Kreischen der Frau übertönt.
    Sie legte die dreihundert Schritt zwischen der Blide und der Mauer so schnell zurück, dass man ihr mit den Augen kaum zu folgen vermochte, doch konnte Liv sie für einen kurzen Moment deutlich zappeln sehen, bevor sie mit dem Kopf voran auf halber Höhe an der Mauer zerplatzte.
    Die gesamte Menge stieß gleichzeitig ein Keuchen aus, dann folgten Jubelrufe, Gelächter und scherzhafte Beleidigungen der

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