Die Blendende Klinge
hätte ihn nicht töten sollen, als ich ihn erwischt hatte. Wenn er am Leben geblieben wäre, hätten wir herausfinden können, wer ihn geschickt hatte.«
»Aber Ihr wart nur ein Junge«, wandte Kip ein. Seine Hand wieder verbunden und unbeweglich zu haben war, wie an einem kalten Morgen in ein warmes Bett zurückzukriechen.
»Und du bist auch nur ein Junge«, erwiderte Hauptmann Eisenfaust. Kip wollte protestieren, aber Hauptmann Eisenfaust war noch nicht fertig. »Und selbst wenn du kein Junge wärst – ich habe erwachsene Männer und Frauen in der Schlacht schon viel schlimmere Fehler machen sehen. Würden wir von Natur aus in der Schlacht immer gute Entscheidungen treffen, wäre es auch nicht nötig, sich dafür ausbilden zu lassen.«
»Wieweit bin ich schuld am Tod von Menschen? Ich habe einen König getötet, und ich komme immer noch nicht dahinter, ob das eine gute Sache war oder nicht.« Sein Kummer übermannte ihn, und Kips Augen wurden feucht. Er wandte den Blick ab, knirschte mit den Zähnen und blinzelte die Tränen weg. Wie dumm. Reiß dich zusammen.
»Ich weiß es nicht«, sagte Hauptmann Eisenfaust. »Aber der Farbprinz hat König Garadul mit Absicht preisgegeben. Er wollte, dass er getötet wird. Vielleicht hatte er die ganze Sache von langer Hand geplant. Gewiss hätte es ihn in Schwierigkeiten gebracht, wenn Garadul gefangen statt getötet worden wäre. General Danavis ist sehr gut in dem, was er tut. Er hat das Ganze binnen eines Augenblicks begriffen. Die meisten Menschen hätten es nicht begriffen. Erst recht nicht fünfzehn Jahre alte Jungen, die noch nie zuvor in einer Schlacht gekämpft haben.«
»Aber ich habe ihm keine Beachtung geschenkt. Ich wollte den König so sehr töten, dass ich auf nichts und niemanden hören wollte.« Kip hatte den Kopf des Königs zerquetscht. Er konnte sich erinnern, was er empfunden hatte, als der Schädel des Mannes geborsten war, als Gehirn zu Brei wurde und Blut spritzte.
»Deine Farbe hatte völlig Besitz von dir ergriffen, Kip. Also hast du einen Fehler gemacht. Vielleicht hast du einen noch größeren Krieg ausgelöst. Vielleicht. Vielleicht hat sich der General auch geirrt. Vielleicht wäre König Garadul viel schlimmer gewesen als dieser Prinz. Wir wissen es nicht. Können es nicht wissen. Es ist passiert. Mach deine Sache beim nächsten Mal besser. So halte ich es.«
Und darum trainiert Ihr.
»Habt Ihr jemals herausgefunden, wer ihn geschickt hat?«, fragte Kip.
»Den Meuchelmörder? Meine Schwester glaubte, es herausgefunden zu haben. Komm, gehen wir in die Messe. Es ist Zeit fürs Abendessen, auch wenn es wohl nicht so viel geben wird, wie wir beide gerne hätten.«
»Aber hat sie sich auch an dem Auftraggeber rächen können?«, bohrte Kip nach.
»Das könnte man sagen.«
»Was hat sie mit ihm gemacht?«
»Sie hat ihn geheiratet.«
10
~Kanonier~
Eins. Ultraviolett und Blau. Als sein Daumen auftippte, war es, als hätte jemand eine Kerze ausgeblasen. Die Welt wurde schwarz. Die Augen nutzlos. Aber dann, einen Moment später, waren da Sonne und Wellen, die blitzend und tanzend über ihn hinwegspülten. Zu sehen, wie seine Perspektive sich verlagerte, während er spürte, dass sein Körper vollkommen bewegungslos war, verursachte ihm ein flaues Gefühl im Magen.
Zwei. Grün half ihm da heraus, die Verkörperung überkam ihn rauschartig, und durch die Berührung fühlte er sich wiederhergestellt. Er schwamm. Ein kraftvoller Körper, schlank und drahtig, nackt bis zur Taille. Das Wasser ist warm und voller Treibgut.
Drei. Gelb. Auch das Gehör ist wieder da. Männer, die sich etwas zurufen, andere, die vor Schmerz oder Entsetzen schreien. Aber Gelb ist mehr als der Hörsinn; es ist auch die räumliche Logik und die Logik des Menschen. Doch mit diesem Gelb hier scheint etwas nicht ganz zu stimmen. Nicht zu glauben. Das Prisma war aus dem Nichts gekommen. War all seinen Kanonenschüssen entgangen. Selbst als er, Kanonier, schließlich angefangen hatte, beide Kanonen gleichzeitig abzufeuern. Das kleine Boot, das sich das Prisma gemacht hatte, bewegte sich mit einer Geschwindigkeit, die er keinem Menschen abgenommen hätte, hätte ihm ein anderer davon erzählt. Ceres würde ihn das büßen lassen. Verdammt sei Gavin Guile.
Aber die Gedanken dieses Geistes springen hin und her. Da ist noch etwas …
Vier. Orange. Der Geruch nach Meer und Rauch und nach dem Pulver abgeschossener Kanonen, und er kann die anderen Männer spüren, die im
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