Die Blendende Klinge
halte meine Pistole in der Hand und wedele nachlässig damit, während ich das Wort an die schwimmenden, verzweifelten Männer richte, die gerade gesehen haben, wie ich Nepper ermordet habe.
»Ich bin Kanonier!«, rufe ich, mehr an Ceres gerichtet als an die Männer im Wasser. »Ich habe getan, wovon Satrapen und Prismen nur träumen. Ich war der Kanonier der legendären Aved Barayah ! Ich habe den Meeresdämon getötet! Ich bin Haifischmörder! Pirat! Schlitzohr! Und jetzt bin ich Kapitän. Kapitän Kanonier ist auf der Suche nach einer Mannschaft«, sage ich und wende mich an die Männer, die voller Angst inmitten von Haien schwimmen. Ich reiße mein Messer aus dem Dollbord, und Neppers Leichnam fällt in die hungrige See. »Meine Mannschaft muss bereit sein, Befehle entgegenzunehmen!«
11
»Ich hoffe, du bist gut ausgeschlafen, kleiner Guile«, sagte eine dicke, gedrungene Schwarzgardistin namens Samite. Sie stand neben ihm am hinteren Ende ihrer Schwarzgardistenkolonne. An diesem Morgen hatte ihre Galeasse Großjasper erreicht, und die Schwarzgardisten waren die Ersten, die von Bord gingen. »Es wird ein langer Tag für dich.«
Gut ausgeschlafen? Kip hatte nach einer Möglichkeit gesucht, sein großes Geheimnis zu verbergen, sein Erbe, das letzte und einzige Geschenk, das seine Mutter ihm jemals gemacht hatte. Er besaß einen großen, kunstvoll mit Diamanten besetzten weißen Dolch, von dem niemand wusste, sowie eine große glänzende, prunkvolle Schatulle dafür. Er konnte den Dolch natürlich in die Schatulle legen, aber in irgendeinem überängstlichen Winkel seines Gehirns war er sich sicher, dass jeder, der die Schatulle sah, ihn als Erstes fragen würde, ob er sie nicht einmal öffnen könne.
Wie könnte er dann Nein sagen?
Also hatte er spät in der Nacht im Dunkeln in seiner kleinen Koje gesessen, darauf bedacht, die Schwarzgardisten in den anderen Kojen möglichst nicht zu wecken. Er hatte Zwirn gefunden und sich den Dolch an den Rücken gebunden; eine Prozedur, die mit seiner verbundenen Hand gute zehn Minuten gedauert hatte. Der Dolch hing nun unter seinen Kleidern mit der Spitze über seinem Hintern, festgehalten von seinem Gürtel.
Es war keine Ideallösung, aber es war das Beste, was ihm eingefallen war. Nach dieser Nacht war ein langer Tag genau das, was er jetzt brauchte. Dennoch brachte er ein klägliches Lächeln für Samite zustande. Trotz ihrer schiefen, mehrfach gebrochenen Nase und des auffälligen Fehlens eines Schneidezahns war sie recht hübsch. Sie war klein und robust wie ein Uferdamm.
Sie waren unter den Letzten gewesen, die sich der Kolonne anschlossen, und sobald sie sich formiert hatten, setzten sich die Schwarzgardisten in gemächlichem Trab in Bewegung.
Kip hatte gedacht, dass ihn der Anblick der Chromeria beim zweiten Mal nicht mehr gar so sehr mit Ehrfurcht erfüllen würde. Er hatte sich geirrt. Selbst die zur Gänze mit einer Stadt bebaute Insel Großjasper empfand er nach wie vor als einschüchternd. Die Stadt bestand ganz aus vielfarbigen Kuppeln auf weißgetünchten quadratischen Gebäuden. Jede Kreuzung schmückte ein Turm, auf dessen Spitze ein glänzender Spiegel thronte, der so eingerichtet war, dass er das Sonnen- und sogar das Mondlicht in jeden Teil der Stadt reflektierte. Die »Tausend Sterne« wurden diese Spiegel genannt. Die Straßen waren mit mathematischer Präzision in geraden Linien angelegt, damit so wenig Lichtstrahlen wie möglich verloren gingen.
Als Samite sah, wie er die Gebäude betrachtete, bemerkte sie: »Man pflegt zu sagen: ›Es gibt keine Dunkelheit auf Großjasper.‹« Sie lächelte ihr Zahnlückenlächeln. »Es ist nicht wortwörtlich wahr, aber es ist hier wahrer als irgendwo sonst auf der Welt.«
Kip nickte nur, sparte sich seine Luft fürs Laufen. In dem kurzen Moment, wo er sie ansah, wäre er beinahe mit einem Luxiaten in schwarzem Talar zusammengeprallt.
Auf den Straßen wimmelte es von Menschen – es mussten Tausende sein. Nicht etwa, weil es Markttag oder irgendein spezieller Feiertag wäre, begriff Kip. Das war für Großjasper einfach ganz normal. Und die Menschen selbst kamen aus jedem Winkel der Sieben Satrapien. Von rothaarigen, hellhäutigen Wilden aus den Tiefen des Blutwaldes bis hin zu nachtschwarzen Ilytanern im Wollwams. Von blassen Ruthgari, die sich mit ihren breiten Strohhüten vor der Sonne schützten, bis hin zu aborneanischen Männern und Frauen, die mit ihren vielen Ohrringen und unter ihren zahlreichen
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