Die Blendende Klinge
ihnen wichtig war, was ich dachte. Dass sie dem, was ich zu sagen hatte, zuhörten, ohne diesen amüsierten, nachsichtigen Ausdruck im Gesicht, der besagte: ›Mal wieder der junge Herr mit seinen Flausen im Kopf.‹ Ich war im Krieg, Kip, und Menschen starben, weil ich meine Sache nicht gut gemacht habe. Orholam bewahre dich davor, jemals einen ähnlich hohen Preis zahlen zu müssen, aber ich wollte dich nicht in eine Lage versetzen, in der jeder Fehler, den du begehst, dich oder andere umbringen könnte.«
Kip starrte finster vor sich hin. »Nun ja, wenn Ihr es so ausdrückt, klingt es alles ganz vernünftig und so weiter.«
Gavin legte seinen Umhang ab. »Nun komm. Lege die da möglichst klein zusammen«, wies er Kip an und deutete auf die Schimmermäntel. »Über sie werden wir später reden.«
Vater und Sohn falteten die Umhänge sorgfältig zusammen und verstauten sie unter Gavins Mantelumhang. Gavin ließ ihn lässig über seinen Arm hängen. Er nahm das Kartenschächtelchen in die Hand, wiederum unter den Schimmermänteln verborgen.
»Wisst Ihr«, setzte Kip an, »Janus Borig hat gemeint, ich würde nicht das nächste Prisma werden. Nicht dass ich das überhaupt wirklich gewollt hätte, ich meine, ich möchte, dass Ihr für alle Zeiten das Prisma bleibt. Aber …«
»Aber wenn du nicht das nächste Prisma wirst und es so etwas wie den Lichtbringer nicht gibt, dann bedeutet das, dass du gar nichts werden wirst?«, vollendete Gavin den Satz.
»Ja, Herr«, sagte Kip und wandte den Blick ab. »Klingt … schrecklich, oder?«
»Ja«, erwiderte Gavin. »Gehen wir.«
Kip war völlig durcheinander. Kein Lichtbringer? Aber Janus Borig hatte gesagt, sie wüsste, wer der Lichtbringer sei – und hatte ihn dabei angeblickt. Hinterher, als er endlich darüber hatte nachdenken können, hatte Kip zu hoffen gewagt, es könnte bedeuten, dass …
Dass es genau das bedeutete, was sein Vater vermutet hatte. Sie könnte aber auch etwas anderes gemeint haben. Ich weiß, wer der Lichtbringer ist … der Lichtbringer ist niemand. Oder: Der Lichtbringer ist Lucidonius. Oder sie könnte auch einfach falschgelegen haben. Stimmt’s?
Sie hatte gesagt , dass ihre gemalten Abbildungen nicht anders als wahr und wirklichkeitstreu sein konnten, aber Kip wusste nicht, ob das stimmte. Und selbst wenn ihr Gemaltes wahr sein musste, hieß das noch nicht, dass es auch ihre Worte sein mussten. Sie konnte sehr gut gelogen oder sich einfach geirrt haben. Selbst wenn sie im Recht und Gavin im Unrecht war, so hatte sie doch nicht den Lichtbringer gemalt. Vielleicht wäre sie dazu nicht in der Lage gewesen. Oder womöglich wäre eine solche Darstellung zu unbestimmt gewesen, um irgendetwas zu verraten. Überdies hatte sie sogar gesagt, dass ihre Abbildungen manchmal nicht im wörtlichen Sinn zu verstehen seien.
Kip folgte Gavin, und sie verließen gemeinsam die Quartiere der Schwarzgardisten. Zwei Schwarzgardisten, ein Mann und eine Frau, schlossen sich ihnen unauffällig und wie selbstverständlich an. Kip fragte sich, wie sie das so gut konnten. Vermutlich machte das die lange Übung. Wie immer im Leben eines Schwarzgardisten.
Vielleicht war es das, was das Schwarzgardisten-Dasein so reizvoll für ihn machte. Alles, was sie erreichten, hatten sie sich verdient. Nicht wie in Kips Leben. Doch sie kümmerte es nicht, wessen Sohn er war, bei ihnen zählte, ob er seine Arbeit machen konnte.
Gavin betätigte die Gewichte des Aufzugs – Kip war es bisher nie wirklich aufgefallen, aber auch wenn die Schwarzgardisten Gavins Leben bewachten, so waren sie doch keine Diener. Kip fragte sich, ob es daran lag, dass Gavin durchgesetzt hatte, dass er solche Dinge selbst erledigen wollte, oder ob sich die Schwarzgardisten schlichtweg weigerten, mehr zu leisten, als ihn zu beschützen. Sie fuhren nach oben, was Kip überraschte, da er dachte, Gavin wolle ihn in sein eigenes Zimmer zurückschicken.
Sie wurden im obersten Stockwerk abgesetzt. Das Stockwerk von Gavin und der Weißen.
»Also hat dein Großvater dir Schwierigkeiten bereitet?«, fragte Gavin.
»Herr«, sagte Kip. »Euer Vater … äh, er hat mich verleugnet, Herr. Also, wisst Ihr, er leugnet, dass ich Euer Sohn bin.« Kip schluckte. Natürlich weiß er, was es bedeutet, Idiot. »Das habe ich gemeint, als ich sagte, dass ich versagt habe.«
»Tatsächlich?«, erwiderte Gavin. »Das kann heiter werden, nicht wahr?« Seine Stimme war alles andere als heiter. Er drehte sich zu einem der
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