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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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ungefähr drei Notsituationen, mit denen ich fertigwerden muss, und meine Feinde machen vermutlich rasche Fortschritte. Kannst du noch ein wenig warten?«
    Notsituationen. Wichtige Dinge, wie die Welt zu retten und Kriege zu verhindern – oder sie vielleicht auch zu gewinnen –, bei denen das Schicksal von Hunderttausenden auf dem Spiel stand. Und Kip wollte von ihm … was noch mal? Mit ihm herumsitzen und reden? Ringen? Karten spielen?
    Ich bin ein hilfsbedürftiger Waschlappen. Schwach. Eine Ablenkung von den wirklich wichtigen Dingen. Leute könnten sterben, nur weil ich hier so erbärmlich herumwinsele. Bei Orholam, Kip, sei ein Mann.
    Kip schluckte, und sein Rücken straffte sich. »Ist gut, Herr. Ist schon in Ordnung.«
    Gavin zögerte. »Wenn … wenn es irgendeinen Unterschied macht: Ich … ich hätte dich mitnehmen sollen. Ich hätte dich persönlich unterrichten sollen. Doch ich habe nicht … ich habe nicht daran gedacht. Ich bin es nicht gewohnt, auch an andere Menschen zu denken und nicht nur an mich selbst. Und … entschuldige.«
    Kip wusste nicht, was er sagen sollte.
    »Wie viele Farben kannst du inzwischen wandeln?«, erkundigte sich Gavin.
    »Herr?« Die Frage schien völlig aus dem Nichts zu kommen.
    »Wie viele?«, beharrte Gavin.
    »Ähm, vier, fünf? Euer Vater hat mich gezwungen, mein Anrecht auf das Praktikum im Wandeln aufs Spiel zu setzen. Ich habe verloren, und daher konnte ich nicht so viel daran arbeiten, wie ich es gern getan hätte.«
    Gavin runzelte die Stirn. »Sag mir, was du alles kannst.«
    »Nur Blau und Grün sind stabil. Rot ist unbeständig. Mein Gelb ist überall verteilt, und Infrarot habe ich seit Garriston nicht mehr gewandelt.«
    »Du weißt, dass es heißt, dass der Lichtbringer ein Genius der Magie sein wird.«
    »Ich … das bin ich nicht, Herr.« Er hatte »sein wird« gesagt. Das bedeutete, dass sein Vater glaubte, nicht Lucidonius sei der Lichtbringer gewesen und dass der Lichtbringer bisher noch nicht gekommen war.
    »Nein, das bist du nicht, Kip. Nicht weil du kein Genie wärst. Du könntest eins sein. Nicht weil du nicht ungeheuer talentiert, klug, begabt und schnell von Verstand wärst. Denn das bist du. Du bist nicht der Lichtbringer, weil es gar keinen Lichtbringer gibt. Er ist ein Mythos, der das Leben von tausend Jungen zerstört und hunderttausend Männer in Zynismus und Desillusionierung geführt hat. Er ist eine Lüge. Eine Lüge, die umso verführerischer ist, je mächtiger man ist. Wie alle Lügen zerstört sie jene, die ihr lange Zeit anhängen. Und genau das ist auch der Grund, warum ich dich angelogen habe.«
    »Hä?«
    »Du bist ein Polychromat. Wenn du wütend auf mich bist, weil dein Prüfungsergebnis das nicht angezeigt hat, so verdiene ich deinen Ärger. Du bist aufgrund deiner Geburt sowohl privilegiert als auch verachtet, deines einen oder deines anderen Elternteils wegen, abhängig davon, wer dich im Moment gerade hasst. Du hast deine Komplexe und Empfindlichkeiten ganz zu Recht, aber ich wollte nicht, dass ein Ungeheuer aus dir wird. Und daher wollte ich nicht, dass du weißt, wie stark und mächtig du einmal werden wirst. Deshalb habe ich dein Prüfungsergebnis gefälscht.«
    »W-was?« Wegen dieser verdammten Prüfung hatte Kip alle Hinweise auf sein sich ausweitendes Farbfeld geleugnet. Er hatte seine Zeit mit unnötigen Spielereien verschwendet, während er an fünf weiteren Farben hätte arbeiten können?
    »Ich will mich dafür nicht entschuldigen, Kip. Ich wollte, dass du erst noch etwas älter wirst. Ich wollte, dass du dich erst richtig einschätzen lernst, bevor wir deine neue Bürde, die darin besteht, der Sohn des Prismas zu sein, auch noch mit der Bürde deiner ungeheuren Talente beschweren.«
    »Und wieso könnt Ihr darüber entscheiden? Weil Ihr das Prisma seid?«
    »Weil ich dein Vater bin. Ich habe selbst zu schnell aufwachsen müssen, und ich habe es überhaupt nicht gut hinbekommen. Weißt du, wie es ist, wenn man im Alter von siebzehn einen Krieg beginnen muss?«
    »Ich dachte, Ihr wärt achtzehn gewesen.«
    »Jedenfalls jung«, sagte Gavin, aber kurz huschte ein sonderbarer Ausdruck über sein Gesicht, eine Anspannung seiner Augen, und verschwand so schnell, dass Kip ihn nicht deuten konnte. »Das ist lange her, aber ich erinnere mich noch daran, dass ich so versessen darauf war, endlich ein Erwachsener zu werden, dass ich es gar nicht erwarten konnte. Ich wollte, dass mich die Menschen ernst nahmen, dass es

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