Die Blendende Klinge
halblaut. »Erst einmal die Neuen für sich einnehmen.«
Gavin Gräuling wandte den Blick ab. »Dazu kann ich nichts sagen. Jedenfalls, er sagte etwas über … äh, dass er auf einer langen Reise mit einer Frau gewesen wäre, die er wollte und nicht haben konnte.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, sorgsam bemüht, Karris nicht anzusehen. »Und er fragte nach seiner Kammersklavin. Gill und ich haben uns heute Morgen darüber unterhalten, und wir konnten uns beide nicht mehr erinnern, was er genau gesagt hat.«
»Und welche Bedeutung habt ihr dem beigemessen?«, fragte die Weiße.
Gavin räusperte sich erneut und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Dass er, äh, ein wenig, ähm, Gesellschaft wohl nicht abgeneigt wäre. Und als dann dieses Mädchen, Ana, auftauchte, dachten wir, er hätte nach ihr geschickt. Sie führte sich jedenfalls so auf, als hätte er es getan. Die Schwarzgardisten am Aufzug haben uns mitgeteilt, dass sie ihnen erzählt habe, Ihr hättet nach ihr geschickt, Herrin.«
»Dann hat sie gelogen. Es ist nicht das erste Mal, dass sie das versucht hat«, erwiderte die Weiße. »Erzählt weiter.«
»Wir haben sie hereingelassen. Wir haben gedacht, vielleicht sei dass ein gängiger …«
»Eure Gedanken interessieren im Moment nicht«, fuhr die Weiße dazwischen. »Was ist dann passiert?«
Gavin Gräuling trat wieder von einem Bein aufs andere und blickte verstohlen zu Karris hinüber. »Sie war noch keine fünf Minuten da, als Wachhauptfrau Weißeiche erschien. Sie sagte, ihre Angelegenheit sei dringend. Wir, äh, versuchten, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, aber sie schien in Eile zu sein, als wolle sie nicht im Gang gesehen werden, so wie sie …«
»Erzählt die ganze Wahrheit, ihr Lumpen«, sagte Karris. Ausdruckslos und steif, aber ruhig.
»Sie war geschminkt und roch nach Parfüm. Ihr Haar war, wie soll ich sagen, wunderschön frisiert. Wie eine Frau, die zu einem Dings kommt, einem … einem … wie sagt man noch …« Gavin warf einen raschen Blick zu seinem Bruder hinüber.
»Einem Rendezvous«, half Gill nach.
Gavin Gräuling nickte, fügte aber nichts hinzu.
»Ihr habt sie also reingelassen, und dann?«, drängte die Weiße.
»Als wir die Tür öffneten, war offensichtlich, dass das Prisma … äh, auf, na ja, sehr überschwängliche Weise von Ana geweckt worden war. Und die Wachhauptfrau zeigte sich davon überrascht. Wachhauptfrau Weißeiche rannte aus dem Raum, und der Hohe Luxlord Prisma rief ihr hinterher. Er wirkte geschockt. Noch bevor wir uns ihm anschließen konnten, rannte er Wachhauptfrau Weißeiche nach und nahm den Aufzug nach unten. Wir wussten nicht, was wir tun sollten, also gingen wir auf unseren Posten zurück, und er kam einige Minuten später wieder.«
Orholam. Karris hatte ein ungutes Gefühl im Bauch.
»Er war ungeheuer wütend auf das Mädchen, Ana. Wir, äh, sahen sie, als er wieder hineinging, und man hatte den Eindruck, dass sie dachte, sie würden gleich dort weitermachen, wo sie zuvor aufgehört hatten. Aber er wollte davon nichts wissen. Er brüllte sie an …«
»Was hat er gesagt?«, fragte die Weiße.
Gavin Gräuling vermied es, Karris anzusehen. »Er sagte, dass er wegen Ana die Frau, die er liebe, verloren hätte. Dass er geglaubt habe, sie sei Karris – also, äh, die Wachhauptfrau –, und dass er Ana nicht angerührt hätte, wenn er gewusst hätte, wer sie war. Dass sie ihn anekelte. Das Mädchen sagte ein paar, äh, niederträchtige Dinge über Wachhauptfrau Weißeiche, und dann hat das Prisma sie hinaus auf seinen Balkon geworfen.«
Oh Orholam, erbarme dich. Gavin hatte diese dumme Gans ermordet, weil sie Karris beleidigt hatte? Karris hätte am liebsten geweint – um Ana, um sich selbst, um Gavin, um diese ganze dumme Welt und den Schiffbruch ihrer Liebe.
»Wir haben gesehen …« Gavin schluckte und sah zu Gill hinüber, der ihm mit einem Nicken bedeutete fortzufahren.
»Er brüllte und war außer sich, und Ana hatte solche Angst, dass sie vom Balkon gesprungen ist.«
Karris durchfuhr es wie ein Blitzschlag. »Sie ist gesprungen ?«, entfuhr es ihr.
»Ja, Wachhauptfrau«, sagte der junge Mann. »Er … er wirkte sofort ganz zerknirscht. Ich glaube, ich werde seinen Gesichtsausdruck niemals vergessen können. Er sagte etwas wie: ›Orholam, erbarme dich, ich habe sie umgebracht.‹ Und dann hat er uns angewiesen, es melden zu gehen, und versichert, er würde da sein, wenn wir zurückkämen. Er
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