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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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leiser Stimme teilte er ihr mit, wie er damals die Entscheidung hatte treffen müssen, ob er ihr die Wahrheit sagen oder sie umbringen sollte.
    Alle Wärme war schlagartig aus ihren Zügen gewichen, als hätte er mitten im Winter seine Fenster weit geöffnet. Er sah ihren Kiefermuskel zucken. Was so viel sagte wie: Du wolltest mich umbringen, du Arschloch?
    »Du wolltest die Wahrheit«, sagte Gavin. »Sie dir zu erzählen bedeutet, dass du mich umbringen könntest.«
    »Die Wahrheit überzeugt mich, du Bastard. Aber erwarte nicht, dass sie die Schwielen meines Herzens erweicht.«
    Er hatte nichts zu sagen. Er stellte fest, dass er das kleine braune Opiumkügelchen zwischen seinen Fingern zu Staub zerrieben hatte.
    »Ich bin, wer ich bin, Karris«, sagte er. Dann ging ihm auf, wie lächerlich diese Worte gerade in diesem Moment waren. »Ich meine, ich bin das Prisma, und daher …«
    »Ich weiß schon, wie du das gemeint hast. Also: War es das jetzt?«
    Er zögerte. »Nein. Das war es noch nicht, Karris. Ich habe letzte Nacht Gavin getötet.«
    »Du meinst im metaphorischen Sinn?«, hakte sie nach.
    Und so erzählte er es ihr. Dann holte er noch weiter aus und erzählte ihr von Ana. Und er erzählte ihr die Wahrheit.
    »Aber die Schwarzgardisten … sie haben gesagt, sie sei gesprungen.«
    »Sie haben gelogen, um mich zu retten, Karris. Ich habe sie nicht darum gebeten. Ich schwöre es. Ana hat ein paar ziemlich gemeine Sachen über dich gesagt, und ich wusste, dass ich dich gerade für immer verloren hatte. Ich warf sie auf meinen Balkon hinaus – ich … ich glaube nicht, dass ich versucht habe, sie umzubringen, aber sie knallte gegen das Geländer und stürzte direkt darüber hinweg. Dann bin ich auf das Dach und habe versucht, die Farben ins Gleichgewicht zu bringen. Aber ich kann es nicht mehr. Also bin ich hinunter, um Gavin freizulassen, mich von ihm töten zu lassen.« Selbst ihrem übel zugerichteten Gesicht war das Entsetzen deutlich genug anzusehen.
    Abschließend, nachdem er ihr die Sache mit Gavin erzählt hatte, sagte er: »Da habe ich noch nicht gewusst, was er dir angetan hat. Wie er dich … gedemütigt hat. Ich hätte es längst herausfinden müssen, aber ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich, was die Leute um mich herum angeht, nicht mal das Offensichtlichste bemerkt habe. Es tut mit leid, Karris, und ich weiß, dass ich mich nicht entsprechend verhalten habe, aber ich liebe dich und möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen, wenn du mir jemals verzeihen kannst.«
    Die Stille war so tief, dass man darin hätte ertrinken können.
    »So unmöglich, dass er einen rasend macht. Unkorrigierbar. Ungeschliffen. Unfähig. Und unglaublich in jeder Bedeutung des Wortes. Aber letzten Endes nicht unehrlich, oder, Dazen Guile?«
    »Was?«
    »Küss mich«, sagte Karris.
    »Wie bitte?«
    »Es war keine Bitte.«
    Er erhob sich von seinem Stuhl und setzte sich an ihre Bettkante. Sie ächzte vor Schmerz, als seine Bewegung ihren Körper erschütterte.
    »Entschuldigung«, murmelte er. »Vielleicht …«
    »Es war keine Bitte.«
    »Aber deine Lippen sind geplatzt und …«
    »Keine Bitte.«
    »Ah.«
    Er küsste sie mit der sanften Zurückhaltung eines Mannes, der eine Kranke küsst.
    Sie zog den Kopf zurück und musterte ihn missbilligend. »Das war fürchterlich, Dazen Guile. Das war nicht der Kuss, auf den ich seit sechzehn Jahren gewartet habe.«
    »Zweite Chance?«, fragte er.
    Sie wirkte nicht überzeugt. »Hm. Hast du nicht verdient.«
    »Nein, habe ich nicht«, sagte er ernst.
    »Hast du wirklich nicht«, bestätigte sie streng, »aber wenn du und ich kein Fall für eine zweite Chance sind, dann weiß ich nicht, wer sonst eine verdient hätte.« Dabei lächelte sie sogar ein bisschen.
    Er küsste sie wieder, zart, und zog sie dabei fest an sich. Aber was als ein gütiges Geschenk zu ihrem Wohl begonnen hatte, wurde durch eine geschmeidig drängende, überstarke Versuchung bald verwandelt. Er drückte ihren kleinen Körper gegen den seinen, schlang schützende Arme um sie. Während sie sich küssten, fühlte er, wie sich eine Spannung in ihm löste, ein Knoten, der sein Inneres seit so langer Zeit zusammengezwängt hatte, dass er den davon ausgehenden Schmerz schließlich für einen Bestandteil jenes Schmerzes gehalten hatte, den es bedeutete, am Leben zu sein.
    Sie zog den Kopf zurück, und, sofort wieder auf der Hut, weil er Zurückweisung fürchtete, zog auch Gavin seinen Kopf

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