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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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»Danke«, sagte Gavin. Er meinte es ernst, aber es war auch schmerzlich.
    Ein Jahr. Vielleicht ist es ganz gut so, dass ich nur noch ein Jahr habe. Ich glaube nicht, dass ich das alles weitere fünf Jahre durchstehen könnte.
    Sie begannen zu arbeiten, und allmählich trat der Kummer in den Hintergrund. Gavin wandelte die großen Pfosten, die die Molen stützen sollten. Er musste weitere Sprengladungen zünden, um den Meeresboden freizuräumen und um tief genug in den Untergrund vorzudringen, damit er den Pfosten ein stabiles Fundament geben konnte. Aber im Wesentlichen war es einfach ein Wandeln mit roher Gewalt. Schichten von Gelb, um Stabilität zu gewährleisten, und Grün um der Elastizität willen. Er hätte liebend gern Blau benutzt, aber er ging davon aus, dass es auch so gehen würde.
    Bei Einbruch der Nacht waren sie mit allen Stützpfosten fertig. Morgen wären dann die Molen selbst an der Reihe. Am Tag darauf würden sie letzte Hand anlegen und noch einmal sorgfältig überprüfen, ob alles auch so funktionierte wie geplant. Dann konnte er endlich machen, dass er von hier wegkam.
    Nach Sonnenuntergang ruderten sie an Land. Gavin überlegte, dass er nach all der schweren Arbeit am besten ein Bad nehmen sollte, bevor er sich zum Abendessen mit der Seherin traf.
    »Wirst du mit ihr schlafen?«, fragte Karris.
    Gavin hustete. »Wie bitte?«
    »Ist das ein ›Ja‹ oder ein ›Ja, falls sich die Gelegenheit dazu bietet‹?«
    Gavin errötete, wusste aber nichts zu antworten.
    Doch Karris wandte sich zuerst ab. Ihre Kiefermuskeln zuckten und entspannten sich dann. »Tut mir leid, Lord Prisma. Ungehörige Frage. Ich entschuldige mich.«
    Gut, damit wäre das vom Tisch.
    Ich kann mit dir nicht ins Bett, aber ich soll verdammt noch mal auch mit keiner anderen ins Bett gehen, was? Großartig.
    Das Dritte Auge begrüßte sie am Strand; ihr Gang war ein wahres Gedichtan Körperanmut, sinnlich, fließend, zweideutig, ohne eingeübt zu wirken. Im Stehen war sie eine bemerkenswerte Erscheinung. In Bewegung war sie eine Frau, für die die ganze Welt darin schwelgte, dass Orholam seiner Schöpfung Gestalt verliehen hatte; dass er ihr Licht geschenkt hatte, so dass der Mensch die Schönheit zu sehen vermochte. Sie lächelte, die Lippen voll, rot und einladend, die großen Augen leuchtend. Sie war geschmackvoll zurechtgemacht und trug ein weißes Kleid, das so dünn war, dass er darunter die dunklen Kreise ihrer Brustwarzen sehen konnte.
    Einfach nur. Verdammt. Perfekt.

31
    Kip kehrte entsetzt in sein Quartier zurück. Er wusste nicht, was er tun sollte. Wenn er den Ausgestoßenen erzählte, dass er die Ursache dafür war, dass Tiziri nach Hause geschickt wurde, würden sie sich vielleicht gegen ihn wenden, voller Angst, dass sie die Nächsten sein würden. Eine nicht unbegründete Angst.
    Denn was konnte ein höherer Einsatz beim nächsten Mal wohl sonst bedeuten? Kip hatte kein Geld. Es konnte nur heißen, dass Andross jemanden nach Hause schicken würde, der Kip näherstand – oder dass er etwas noch Schlimmeres tun würde.
    Der Schlafsaal war leer. Offensichtlich waren die anderen Schüler noch nicht vom Praktikum zurück. Kip ging zu seiner eigenen Pritsche im hinteren Teil des Saals und versicherte sich erneut, dass niemand sonst im Raum war. Vier Bettreihen von seiner Pritsche entfernt riss er die Truhe unter einem der leeren Betten auf. Er wühlte unter der Decke.
    Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust. Der Dolch war noch da. Er deckte ihn wieder zu, schloss sorgfältig den Deckel der Schatulle und stellte sicher, dass alles wieder so aussah wie zuvor. Dann ging er zu Bett.
    Er schlief rasch ein, und in dieser Nacht hatte er ausnahmsweise einmal keine Alpträume. Am nächsten Morgen erwachte er inmitten großer Aufregung. Schüler schwatzten miteinander und machten keinerlei Anstalten, auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, die noch schliefen – doch als Kip sich aufrichtete, stellte er fest, dass er der Einzige war, der noch im Bett lag.
    »Was ist los?«, fragte Kip, dessen Stimme vom langen Schlaf rau und kratzig war.
    »Heute ist Gönnertag«, sagte ein Junge einige Betten weiter. »Kein Unterricht und kein Praktikum heute. Wir treffen uns alle mit unseren Gönnern.«
    Kip schlurfte ins Bad, wusch sich, gurgelte mit Salzwasser und fuhr sich einige Male mit dem Kamm durchs Haar, bis es ansatzweise ordentlich wirkte.
    Er ging allein nach unten und in den Speisesaal. Es wurde noch Essen serviert –

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