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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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freie Tage zu haben. Jeder Schüler sollte sich heute mit seinem Gönner treffen, und das galt für Sklaven ganz genauso wie für alle anderen auch.
    Der Unterschied war jedoch, dass sich Adrasteias Gönnerin niemals mit ihr traf. Stattdessen trug sie Teia geheime kleine Arbeiten auf, die sie am Gönnertag zu verrichten hatte. Lady Lucretia Verangheti war keine einfache Herrin.
    Die Verkäufer auf dem Markt stellten ihre Zelte und Stände auf, legten Teppiche aus und trieben ihre Packesel an, um ihre Ladungen von Feldprodukten oder Fischen an Ort und Stelle zu bringen. Ein steter Strom von Menschen füllte die Straßen, aber mit Sonnenaufgang würde er zu einer wahren Flut werden, wenn Haussklaven und Ehefrauen ihre täglichen Einkäufe erledigten, um ihre Haushalte mit Nahrung zu versorgen. Adrasteia schlüpfte durch die Massen, als steuere sie ein bestimmtes Ziel an. Sie sorgte dafür, dass sich eines der Bänder ihrer Stiefel löste, blieb an einer Mauer stehen, ließ sich auf eines ihrer Knie nieder und schob ihren Rock so weit nach oben, dass sie ihren Schnürsenkel binden konnte.
    Sie zog das Päckchen von seinem Platz zwischen zwei Ziegelsteinen, ließ es in ihren Stiefel gleiten und ging ihrer Wege. Sie bog rasch in ein paar verwinkelte Gässchen ab, um sicherzustellen, dass man ihr nicht gefolgt war – nicht dass das schon einmal vorgekommen wäre, aber sie hatte ihre Befehle –, und fand schließlich eine Nische zwischen zwei etwas höheren Gebäuden. Sie zog das Päckchen aus ihrem Stiefel und entrollte den Brief.
    Lady Verangheti schrieb selten etwas auf. Sie wollte ihre eigene Handschrift nicht als Spur hinterlassen, die zu den Verbrechen wies, die zu begehen sie Adrasteia auftrug, und sie wollte Sklaven oder Schreibern nicht mehr anvertrauen, als unbedingt sein musste.
    Es spielte auch keine Rolle. Adrasteia wusste, was von ihr verlangt wurde.
    Der Brief enthielt die frappierend genaue Zeichnung eines Mannes – Lady Verangheti hätte eine beachtliche Künstlerin sein können, hätte sie dergleichen nicht als unter ihrer Würde erachtet. Um die Brusttasche des Mannes war ein Kreis gezeichnet. Die andere Seite des unglaublich dünnen Reispapiers zeigte eine Schnupftabaksdose, die mit einem Familienwappen verziert war: Reiher, die über einem Halbmond in die Lüfte aufstiegen.
    Da Teia Ähnliches schon früher getan hatte, wusste sie, dass sie die Schnupftabaksdose stehlen sollte, und das vor dem Morgen des nächsten Tages.
    Adrasteia war eine Sklavin, keine Idiotin, und ihr war klar, dass die Hälfte ihrer scheinbaren Opfer Männer und Frauen waren, die in Wirklichkeit für Lucretia Verangheti arbeiteten. Sie war schon einmal erwischt worden, zu Hause.
    Aber sie wusste nie, ob ihr Einsatz echt oder nur vorgetäuscht war. Es spielte für sie ehrlich gesagt auch keine Rolle. Sie konnte keinen ihrer Einsätze einfach als eine Art bloßes Übungsmanöver abtun. Der Unterschied war nur, dass sie geschlagen werden würde, wenn sie beim Bestehlen eines von Lucretias Männern ertappt wurde; wenn sie aber dabei erwischt wurde, wie sie von jemand anderem stahl, würde man sie in hohem Bogen aus der Schwarzen Garde und der Chromeria hinauswerfen und ins Gefängnis stecken.
    Und natürlich zählte ihr Vater auf sie. Die Dinge liefen gut für den Vater einer Sklavin, die exzellente Arbeit verrichtete. Über die umgekehrten Implikationen dieses Satzes verlor man am besten kein Wort. Teias Vater war ein freier Mann; in diesem Punkt hatte sie Kip nicht belogen. Aber das bedeutete nicht, dass Lady Verangheti keinerlei Macht darüber hatte, was mit ihm und seinen Schulden geschah.
    Also nahm sich Teia das Porträt des Mannes ganz genau vor und prägte sich seine Züge ein. Nach den Kleidern zu urteilen, höchstwahrscheinlich ein Edelmann mit Landbesitz. Schütteres, kurz geschorenes Haar, breite Nase, ausladende Halsketten, weiter Umhang, Schwertgürtel, weite Ärmel, Lederhandschuhe.
    In diesem Aufzug würde es Teia nicht überraschen, wenn er mit einem Leibwächter unterwegs war. Sie spähte in beide Richtungen die Gasse hinab. Sah niemanden. Sie faltete das Reispapier zusammen. An den Ecken war unter einer dünnen Wachsschicht gelbes und rotes Luxin aufgetragen. Sie rubbelte das Wachs weg, indem sie die Ecken aneinanderrieb. Das Papier entzündete sich und verbrannte sofort. Teia blies den Staub weg und machte sich auf den Rückweg zum Markt.
    Wie auch alle anderen Kreuzungen in der Stadt war jeder Eingang zum

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