Die Blendende Klinge
richtig.«
»Wie bitte?«, wunderte sich Karris.
Gavin fühlte sich, als hätte er einen Tritt in den Magen bekommen, daher war es schön zu sehen, dass Karris gleichermaßen sprachlos war.
Allerdings wirkte das Dritte Auge aufrichtig verwirrt. »Weshalb seid Ihr hier, Prisma?«
»Ich habe fünfzigtausend Flüchtlinge, die ein Zuhause brauchen. Wenn ich sie irgendwo anders hinbringe, werden sie entweder Geiseln der Politik der Satrapien sein oder vom Farbprinzen niedergemetzelt.«
»Ihr plant, sie hier anzusiedeln?«
»Ihr seid die Seherin.«
»Ihr werdet damit die Gemeinschaft zerstören, die wir hier aufgebaut haben«, stellte sie fest.
»Ihr habt eine Gemeinschaft aufgebaut, um Orholam zu dienen. Dient ihm, indem Ihr sein Volk rettet.«
»Ihr wisst nicht einmal, was Ihr zerstört«, sagte sie.
»Es interessiert mich auch nicht allzu sehr. Wenn der Herrscher ein Schiff nach Paria schickt, kümmert er sich nicht um das Wohlergehen der Ratten im Frachtraum. Wenn Ihr Orholam dienen wollt, dann tragt schon mal Proviant zusammen. ›Glaube ohne Taten ist Staub‹, sagt man nicht so? In drei Tagen werden fünfzigtausend hungernde Menschen hier ankommen.«
Die Männer, die Gavin und Karris umringten, nahmen eine drohende Haltung an. Er hätte es vielleicht nicht sagen sollen, aber die Sonne war bereits aufgegangen, und er brauchte jede Minute Tageslicht, um den Hafen fertigzustellen, bevor die Flotte eintraf. Auf den Schiffen dürfte höchstwahrscheinlich gerade heute der Proviant ausgegangen sein. Wenn er das Riff nicht beseitigte und für einen sicheren Hafen sorgte, würden die Schiffe auf Grund laufen, und die Männer, Frauen und Kinder würden sterben.
»Seid Ihr ein Mensch oder ein Gott, Gavin Guile?«, fragte das Dritte Auge.
»Ich bin beschäftigt «, erwiderte Gavin. »Macht gemeinsame Sache mit mir oder geht mir aus dem Weg, denn ich werde tun, was ich will, und wenn Ihr Euch mir entgegenstellt, werde ich tun, was ich muss.«
»Ich glaube nicht, dass ich Euch sonderlich mag, Gavin Guile.«
»Zu einer anderen Zeit würdet Ihr das, glaube ich. Jetzt entschuldigt mich, aber ich muss einen Hafen bauen.«
»Wie wäre es mit einem Abendessen?«, fragte das Dritte Auge. »Erst nachdem die Sonne untergegangen ist natürlich. Gesellt Euch zum Abendessen zu mir. Ihr habt mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben, und ich würde mich dafür gerne revanchieren. Es sei denn, ein Abendessen mit einer Ratte ist unter Eurer Würde?« Sie blickte ihn kühl an und zog herausfordernd eine Augenbraue hoch.
Ein Treffer, der saß. »Es wäre mir … ein Vergnügen«, sagte Gavin.
Er ging den Strand hinunter und zog Licht in sich hinein. Dann legte er seine Überjacke ab. Es war noch nicht so warm, dass es notwendig wäre, aber er wollte, dass das Dritte Auge und ihre Männer, während er davonging, die Wellen von Farben sahen, die durch seine Haut fluteten. Gelb zuerst, wodurch sein Körper golden leuchtete. Er ließ eine Fontäne aus Gelb in die Luft emporschießen, und als das Gelb die Wellen traf, hatte er es bereits zu einem Gleiter geformt.
Karris stieg zusammen mit ihm in den Gleiter. »Mir ist nicht klar, warum du dich immer wieder in die Position bringst, bewaffneten Männern den Rücken zuzudrehen«, bemerkte sie.
»Die ganze Welt ist bewaffnet«, entgegnete Gavin. »Die Hälfte davon habe ich immer im Rücken.«
Sie murrte. »Was bedeutet, dass ich oft rückwärtsgehe.«
Er sah sie an. Sie grinste.
»Du bist nicht böse auf mich?«, fragte er. Er fand, dass er die Situation besser hätte meistern können.
»Du bist das Prisma«, erwiderte sie, und als sie »das Prisma« sagte, machte sie eine Geste, als sprühe schon allein das Wort förmlich Funken. »Wie kann ich böse auf das Prisma sein?«
Er lachte. Er hatte sein ganzes Leben mit Frauen verbracht, aber er verstand sie trotzdem nicht. »Nein, ich meine es ernst«, sagte er.
Sie half ihm beim Rudern. »Ich weiß nicht, was du mit den Flüchtlingen aus Tyrea letztendlich vorhast. Ich bin mir sicher, du hast irgendein Endziel im Kopf. Aber es ist mir egal. Du machst das alles wirklich, um Menschen zu retten, die dir im Moment dafür keine Gegenleistung geben können. Menschen, die im Grunde schrecklich lästig sind. Menschen, die du einfach im Stich lassen könntest. Aber du kümmerst dich um sie. Das – das ist etwas Gutes. Ich will dein Verdienst nicht schmälern.«
Also ist da irgendetwas in dir, das mein Verdienst gerne schmälern möchte .
Weitere Kostenlose Bücher