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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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die Umstellung von einem nahen Gegenstand auf einen fernen.
    Doch wenn sie die Augen trotzdem weitete, sah sie etwas vollkommen anderes. Unter Infrarot – so weit unter Infrarot, wie sich Infrarot unterhalb des sichtbaren Spektrums befand, ja noch weiter – war ihre Farbe. Falls es überhaupt eine Farbe war. Die Bücher nannten es Paryl. Paryl war rein und schön und meistens völlig nutzlos. Es war so fein, dass es nichts tragen konnte. So fein, dass die wenigen Teia bekannten Bücher, die versuchten, eine Übersetzung für das Wort Paryl zu finden, es »Spinnenseide« nannten.
    Nur dass sich Spinnen natürlich von ihren Netzen herabhängen lassen konnten. Teia war klug genug, das nicht mit ihrer Farbe zu versuchen.
    Sie wurde langsam nervös, weil der Schichtwechsel der Spiegelsklaven bevorstand. Sie hatten nichts dagegen, dass sie in dem Turm war, aber solange sie drinnen war, konnten sie nicht hinaus. Und in dem Moment, wo sie in ihrer Verkleidung den Turm verließ, war sie am gefährdetsten. Sie hatte die Augen gerade so stark geweitet, dass sie Paryl sah, als etwas über den Rand ihres Gesichtsfeldes flackerte.
    In hundert Schritt Entfernung erhob sich kreiselnd eine dünne Säule aus Paryl-Rauch und verschwand über der Menge.
    Natürlich hatte es niemand bemerkt. Niemand konnte es bemerken. Teia hatte noch nie jemand anderen getroffen, der Paryl sehen, geschweige denn es wandeln konnte.
    Es musste ihre Zielperson sein. So waren ihre Ziele nämlich markiert: Schwaden von Paryl in ihrem Haar oder auf ihrem Hut, die wie flammenlose Feuer brannten. Eine Art perfektes Leuchtsignal, unsichtbar für jeden außer Teia. Aber sie hatte ihr Gegenstück noch nie gesehen: Die Person, Mann oder Frau, die Teias Ziele für sie derart kennzeichnete, hatte sich immer sorgfältig vor ihr verborgen gehalten.
    Teia hielt in alle Richtungen Ausschau. Da! Ein Leuchtsignal bewegte sich direkt am Fuß ihres Turms vorbei. Sie konnte nicht den richtigen Winkel finden, um ihr Opfer zu sehen, dennoch würde sich diese Aufgabe einfacher gestalten als gewöhnlich.
    Sie glitt mit ihrer Tasche über dem Rücken die Leiter hinab. Am Fuß der Leiter holte sie die hohen Schuhe aus der Tasche, zog sie an, hängte sich ihre Tasche über die Schulter und versicherte sich, dass die Riemen ihre »Brüste« nicht verschoben hatten. Sie atmete tief die Luft ein. Sei selbstbewusst, aber nicht aggressiv, Teia. Nein, nicht einmal selbstbewusst. Nur emsig beschäftigt. Wiege dich beim Gehen stark genug in den Hüften, dass dein schmales Becken breiter erscheint, aber nicht so stark, dass du wie eine Hure aussiehst. Sie prüfte ein letztes Mal ihre Perücke, atmete aus, öffnete die Tür, trat hindurch und schloss sie ohne Hast hinter sich.
    Der Fuß des Bogengewölbes grenzte hier direkt an eine Gebäudewand an, so dass sie schnell in eine schmale Nebenstraße treten konnte. Sobald sie sich ein Stück vom Bogen entfernt hatte, entspannte sie kurz die Augen und ließ den Blick über die Menge gleiten. Genauso wichtig, wie ihr Opfer zu finden, war es zu überprüfen, ob jemand sie aus dem Bogentürmchen hatte treten sehen.
    Sie fand das Leuchtsignal binnen Sekunden. Aber es kennzeichnete nicht den Mann, nach dem sie suchte. Es befand sich im Haar einer Frau und bildete dort einen soliden Knoten. Es war nicht freischwebend und feuerartig, wie es eigentlich der Fall sein sollte.
    Teia wusste, dass es eine schlechte Entscheidung war, aber sie folgte der Frau sofort.
    Wenn das, was Teia gesehen hatte, die Markierung dieser Frau gewesen war, war der andere Paryl-Wandler vielleicht in der Nähe.
    Aber Teia spürte weniger pure Erregung als vielmehr das Gefühl, in etwas Gefährliches hineingeraten zu sein. Wer immer diese Frau mit Paryl markiert hatte, wusste nicht, dass noch jemand sie sehen konnte. Es war, als würde man zufällig über eine geheime Botschaft stolpern und sie öffnen. Wer immer die Botschaft geschickt hatte, würde sicher nicht erfreut sein zu erfahren, dass sie seine Post gelesen hatte – selbst wenn Teia die Bedeutung der Worte nicht verstehen konnte.
    Es gab in dieser Stadt mächtige geheime Strömungen, und noch die schwächste war stark genug, eine Sklavin darin versinken zu lassen. Selten gab es auf Großjasper einen Morgen, an dem die Azurblaue See nicht zumindest einen Leichnam fortspülte.
    Teia hielt die Augen offen, wandelte jedoch nicht. Jedes Wandeln würde den anderen Paryl-Wandler auf ihre Anwesenheit aufmerksam machen. Die

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