Die Blockadebrecher
und der Zorn des würdigen Onkels Vincent heraufbeschworen werden.
Sechstes Capitel.
Das Seegatt der Insel Sullivan.
Zwei Tage nach der Begegnung mit dem Irokesen befand sich die
Delphin
auf der Höhe der Bermudas-Inseln und hatte daselbst eine gewaltige Windsbraut auszuhalten. Diese Breiten werden häufig von außerordentlich heftigen Orkanen heimgesucht und sind in Folge dessen durch Unglücksfälle berühmt; Shakespeare hat diese Gegenden zum Schauplatz der aufregendsten Scenen seines Dramas: »Der Sturm«, in dem Ariel und Caliban sich um die Herrschaft der Fluthen streiten, gemacht.
Die Windstöße waren furchtbar, und James Playfair gab einen Augenblick dem Gedanken Raum, auf Mainland einer der Bermudas-Inseln, anzulegen, wo die Engländer einen Militärposten haben, doch hätte dies einen argen Querstrich durch seine Pläne gemacht. Glücklicherweise zeigte sich die
Delphin
während dieses Unwetters als ganz vortrefflich, und nachdem er einen ganzen Tag vor dem Orkan geflohen war, konnte er seine Fahrt in der Richtung nach der amerikanischen Küste wieder aufnehmen.
Aber wenn die Leistungen der
Delphin
James Playfair zufrieden stellten, so war er von dem Muth und der Kaltblütigkeit des jungen Mädchens nicht minder entzückt; Miß Halliburtt hatte die schlimmsten Stunden des Orkans bei ihm auf dem Verdeck zugebracht, und der Kapitän mußte sich mehr und mehr gestehen, daß eine leidenschaftliche, tiefe Liebe zu dem jungen Mädchen ihn ergriffen hatte.
»Ich kann es nicht leugnen,« sagte er, »das tapfere Mädchen hat mehr Einfluß über mich und mein Thun erlangt, als ich je für möglich gehalten hätte; ich beuge mich vor ihr, wie ein Schiff vor dem Sturm, ja ich fühle, daß ich mich ergeben muß. O, was würde Onkel Vincent sagen! Was macht die Liebe aus uns! ich glaube, ich wäre im Stande, diese ganze verwünschte Ladung Contrebande in's Meer zu werfen, wenn Jenny es von mir verlangte.«
Zum Glück für das Haus Playfair u. Co. forderte indessen Miß Halliburtt dies Opfer nicht; trotzdem aber war der arme Kapitän ihr mit Leib und Seele ergeben, und Crockston, vor dem sein Herz dalag wie ein aufgeschlagenes Buch, rieb sich ein Mal über das andere mit solcher Vehemenz die Hände, daß er sich die Epidermis zerscheuerte.
»Jetzt haben wir ihn im Schlepptau,« brummte er vergnügt vor sich hin, »und ich will darauf wetten, daß mein Herr, ehe noch acht Tage vergehen, in der besten Cajüte an Bord der
Delphin
installirt ist.«
Obwohl Miß Jenny sich darüber klar wurde, was sie in dem jungen Kapitän für Gefühle wach gerufen hatte, und ob ihr Herz ihm gleichfalls entgegenschlug? Das vermochte Niemand zu sagen und am wenigsten James Playfair. Das junge Mädchen hielt sich vollkommen reservirt, wie das bei ihrer amerikanischen Erziehung nicht anders zu erwarten war, und ihr Geheimniß blieb tief in ihrem Herzen verborgen.
Während die Liebe bei dem Kapitän so rasche Fortschritte machte, dampfte die
Delphin
mit nicht geringerer Geschwindigkeit auf Charleston zu.
Am 13. Januar signalisirte die Wache Land auf zehn Meilen Entfernung im Westen, eine niedrige Küste, die mit der Wasserlinie am Horizont fast verschwamm. Crockston schaute scharf aus, und als er Morgens um neun Uhr einen Punkt an einer lichten Stelle des Firmaments erspähte, rief er aus:
»Der Leuchtthurm von Charleston!«
Wäre die
Delphin
bei Nacht hier angekommen, so würde dieser hundertundvierzig Fuß über der Meeresfläche gelegene Thurm schon seit mehreren Stunden bemerkt worden sein, denn der Glanz seines Drehlichts zeigt sich vierzehn Meilen weit.
Nachdem die Lage der
Delphin
durch diese Wahrnehmung genau bestimmt war, blieb James Playfair nur noch übrig, sich zu entscheiden, durch welches Fahrwasser er in die Bucht einlaufen wollte.
»Wenn sich uns nicht besondere Hindernisse in den Weg legen, können wir binnen drei Stunden in den Docks des Hafens und in Sicherheit sein.«
Die Stadt Charleston liegt an einem Wasserbecken, das sieben Meilen lang und zwei Meilen breit, und in das die Einfahrt ziemlich schwierig ist, da es sich zwischen der Insel Morris im Süden und der Insel Sullivan im Norden stark verengt. Zu der Zeit, als die
Delphin
versuchte, die Blokade zu brechen, gehörte die Insel Morris schon den Truppen der Nordstaatlichen, und General Gillmore ließ dort Batterien aufpflanzen, welche die Rhede, bestreichen konnten und sie somit beherrschten. Die Insel Sullivan hingegen war in den Händen der
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