Die Blockadebrecher
hinaufklettern?«
»Ja,« sagte ungeduldig Mr. Mathew, »beeile Dich nur; beim heiligen Patrik, ein nordstaatliches Schiff hätte Zeit, sein Bugspriet mit unserer Takelage zu verwickeln, ehe dieser Taugenichts an seinen Posten kommt. Nun, wird's endlich?«
Crockston sagte kein Wort und schwang sich mühsam auf die Verschanzungen; dann fing er an, mit ausnehmender Ungeschicklichkeit, wie Jemand, der nicht weiß, was er mit seinen Händen und Füßen machen soll, die Wantung zu erklimmen. Als er endlich am Fockmast angekommen war, blieb er, statt sich leicht hinauf zu schwingen, unbeweglich stehen und klammerte sich krampfhaft an das Takelwerk, wie wenn er vom Schwindel ergriffen wäre. Mr. Mathew erstaunte über eine solche Unbeholfenheit; das Blut stieg ihm vor Zorn zu Kopfe, und er befahl Crockston, sofort wieder auf's Verdeck herab zu steigen.
»Der Kerl ist nie in seinem Leben Matrose gewesen!« wandte er sich an den Bootsmann; »sehen Sie doch einmal nach, Johnston, was er in seinem Bündel hat.«
Der Bootsmann begab sich eilig nach dem Matrosenposten.
Crockston suchte indessen mit vieler Mühe wieder herunter zu kommen, aber er glitt mit einem Fuße aus und purzelte unsanft auf's Verdeck nieder.
»O, Du Süßwassermatrose! Du ungeschickter Tölpel!« rief Mr. Mathew ihm als Trost zu; »weshalb, in aller Welt, bist Du an Bord der
Delphin
gegangen? Für einen tüchtigen Seemann giebt sich der Kerl aus und kann nicht den Fockmast vom Besanmast unterscheiden! Warte, wir wollen ein Wörtchen mit einander reden!«
Crockston erwiderte nichts; er stand, den Buckel herausgekehrt und den Kopf gesenkt, da, wie Jemand, der sich darein ergiebt, alle Unbill des Schicksals auf sich einstürmen zu lassen. Eben jetzt kam der Bootsmann von seiner Inspicirung zurück.
»Dies ist absolut Alles, was in dem Bündel dieses verdammten Bauern zu finden war; eine Brieftasche mit verdächtigen Briefschaften,« rapportirte er.
Mr. Mathew nahm das Ding an sich und warf einen Blick auf die Papiere.
»Briefe mit dem Stempel der Vereinigten Staaten von Nordamerika, sagte er,
Mr. Halliburtt aus Boston!
Ein Abolitionist! ein Nordstaatlicher … Kerl, Du bist ein Spion, Du hast Dich an Bord geschlichen, um uns zu verrathen! Nun, warte! wir wollen Dir Deine Schliche austreiben, Du sollst die neunschwänzige Katze zu kosten bekommen! Bootsmann, benachrichtigen Sie den Kapitän, und ihr Anderen bewacht hier den Schuft.«
Crockston hatte ein Gesicht gemacht, wie ein eingefleischter Teufel, als all diese Complimente auf ihn einstürmten, aber kein Wort kam über seine Lippen; man hatte ihn an das Gangspill gebunden, so daß er weder Hände noch Füße regen konnte.
Wenige Minuten später trat James Playfair aus seiner Cajüte und kam auf das Mitteldeck zu, Mr. Mathew trat ihm sofort entgegen und setzte ihn von dem Gange der ganzen Angelegenheit in Kenntniß.
»Was hast Du darauf zu erwidern?« fragte James Playfair, der nur mit Mühe seinen Ärger zurück hielt.
»Nichts,« antwortete Crockston.
»Was hast Du auf meinem Schiffe thun wollen?«
»Nichts.«
»Was denkst Du, daß ich jetzt mit Dir machen werde?«
»Nichts.«
»Wer bist Du? – nach diesen Briefen zu schließen, ein Amerikaner?«
Crockston gab keine Antwort.
»Bootsmann, fünfzig Hiebe mit der neunschwänzigen Katze hier diesem Menschen!« rief James Playfair; »wird die Portion groß genug sein, Crockston?«
»Das wird man ja sehen,« antwortete der Matrose, ohne eine Miene zu verziehen.
»Heran, Ihr da!« commandirte der Bootsmann.
Sofort entblößten zwei kräftige Matrosen Crockston seiner wollenen Bluse, ergriffen das furchtbare Instrument und schwangen es schon, um die Operation zu vollziehen, als plötzlich der Lehrling John Stiggs außer sich und blaß wie der Tod auf das Verdeck stürzte.
»Kapitän, Kapitän!« rief er.
»Ah so, der Neffe,« bemerkte James Playfair.
»Herr Kapitän,« schluchzte der Kleine hervor, nachdem er seine Aufregung so weit bekämpft hatte, daß er reden konnte, »lassen Sie Crockston nicht schlagen, ich will Alles sagen, was er verschweigen wollte. Ja, es ist wahr, er ist ein Amerikaner, er und auch ich – wir alle Beide. Wir sind auch Feinde der Sklavenhalter, aber Spione sind wir nicht, Herr Kapitän, und nichts liegt uns ferner, als die
Delphin
zu verrathen und sie den nordstaatlichen Schiffen zu überliefern.«
»Was habt Ihr dann hier zu suchen gehabt?« fragte der Kapitän mit strenger Miene, indem er den Knaben von
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