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Die Blockadebrecher

Die Blockadebrecher

Titel: Die Blockadebrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sich ziehen wird. Nicht, als ob das Haus Playfair schwanken könnte, lieber Neffe, aber seine Correspondenten können es im Stich lassen. Ach diese Amerikaner! Ob sie nun Sklavenzüchter oder Abolitionisten sind, meinetwegen können sie Alle zum Teufel fahren!«
    Herr Vincent Playfair hätte so nicht sprechen dürfen, weil überall die große Humanitäts-Principienfrage über die persönlichen Interessen die Oberhand behalten muß; man konnte ihm jedoch nicht Unrecht geben, wenn die rein commercielle Seite der Frage Berücksichtigung fand. Der wichtigste Stoff des amerikanischen Exportgeschäfts fehlte auf dem Markte von Glasgow gänzlich; der »Cotton Famine« wurde von Tag zu Tage drohender, und Tausende von Arbeitern sahen sich gezwungen, von Almosen zu leben. Glasgow besitzt 25 000 mechanische Professionisten, die vor dem amerikanischen Kriege 625 000 Meter Baumwolle täglich, und das will sagen 50 000 000 Pfund jährlich spannen. Hiernach möge man die industriellen Störungen beurtheilen, die in der Stadt hervorgerufen wurden, als das Webematerial fast gänzlich ausging, stündlich wurden Fallissements erklärt, in allen Werkstätten mußte die Arbeit eingestellt werden, und unter den niederen Schichten der Bevölkerung wütheten Hungersnoth und verheerende Krankheiten.
    Durch den Anblick dieses entsetzlichen Elends war James Playfair auf seinen kühnen Plan gekommen.
    »Kostet es was es wolle,« sagte er, »ich werde Baumwolle besorgen.«
    Da er aber ebenso wie sein Onkel Vincent »Geschäftsmann« war, beschloß er, die Operation in Gestalt eines Tauschhandels zu entriren.
    »Onkel Vincent, soll ich Dir meinen Gedanken näher auseinander setzen?«
    »Dieses Vorhaben wäre näher zu erörtern, James.«
    »Wir müssen erstens ein Schiff von großer Tragfähigkeit und schnellstem Gange bauen.«
    »Das ginge ja wohl an.«
    »Und dann hätten wir es mit Kriegsmunition, Lebensmitteln und Kleidungsstücken zu befrachten.«
    »Das würde sich dann schon machen.«
    »Ich selbst übernehme den Oberbefehl auf dem Steamer, wir laufen allen Schiffen der nordstaatlichen Marine an Schnelligkeit den Rang ab und brechen die Blokade in einem der südlichen Häfen.«
    »Du könntest Deine Ladung theuer an die Conföderirten verkaufen; sie werden dergleichen brauchen,« sagte der Onkel.
    »Ja natürlich, und dann gedenke ich mit einer Ladung Baumwolle zurück zu kommen …«
    »Die sie Dir umsonst geben werden.«
    »Das habe ich mir auch gedacht, Onkel Vincent; wird's gehen?«
    »Ja wohl. Wirst Du aber durchkommen?«
    »Mit einem guten Schiffe, ja.«
    Ich will Dir eins expreß dazu bauen lassen. Aber wie steht's mit der Mannschaft?«
    »Darum keine Sorge! ich brauche nur so viel Leute, um manoeuvriren zu können; wir wollen die Nordstaatlichen ja nur in ihrem Lauf überholen und uns nicht mit ihnen herumschlagen.«
    »Überholen sollt Ihr sie,« erklärte Onkel Vincent sehr entschieden. »Jetzt sage mir aber, James, welchen Punkt der amerikanischen Küste Du Dir zu Deiner Operation ausersehen hast.«
    »Bis jetzt ist schon die Blokade von New-Orleans, Willmington und Savannah durchbrochen worden, ich meinestheils denke geradeswegs in Charleston einzuziehen. Kein englisches Fahrzeug ist noch in sein Fahrwasser vorgedrungen, mit Ausnahme der ›Bermuda‹ höchstens. Ich werde es genau so machen wie sie, und wenn mein Schiff geringen Tiefgang hat, werde ich einen Weg einschlagen, auf dem mir die nordstaatlichen Schiffe nicht folgen können.«
    »Charleston ist mit Baumwolle vollgepfropft, das ist erwiesen,« hub Onkel Vincent nach einer kleinen Pause wieder an. »Man soll sie sogar verbrennen, nur um sie aus dem Wege zu schaffen.«
    »Das hat seine Richtigkeit,« bestätigte James; »außerdem ist die Stadt fest umzingelt, und es fehlt Beauregard stark an Munition; er wird mir meine Ladung ohne allen Zweifel mit Gold aufwiegen.«
    »Schön, mein lieber Neffe, und wann gedenkst Du abzufahren?«
    »In sechs bis sieben Monaten; ich brauche lange Nächte, Winternächte, um leichter durchzukommen.«
    »Ich will Dir das Schiff zu rechter Zeit fertigstellen, Neffe.«
    »Also abgemacht, Onkel?«
    »Abgemacht.«
    »Unter Discretion?«
    »Discretion – versteht sich!«
    Und fünf Monate nach dieser Unterredung wurde ein Steamer, dessen Bestimmung Niemand kannte, von den Werften von Kelvindock abgelassen – es war die
Delphin
.

Zweites Capitel.
Ankerlichten
    Die Ausrüstung der
Delphin
nahm nicht viel Zeit in Anspruch; ihre Betakelung

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