Die blonde Geisha
den Mund zu, aber es war zu spät. Hisa blickte sich um und entdeckte mich, bevor ich wegrennen konnte. Er errötete, aber nicht verlegen, denn in der Öffentlichkeit gegen Mauern, Zäune und Pfosten zu urinieren war in Kioto ganz normal. Nach Ansicht der Japaner gehörte ein öffentlicher Platz allen und somit niemandem und musste nicht besonders respektiert werden.
Ich rührte mich nicht. Wie auch. Er ließ seinen Umhang nicht herab und heftete den Blick auf mich. Trotzig stand er da, breitbeinig, sein Jadestab meinem Blick ausgesetzt. Ich holte tief Luft. Okâsan billigte es nicht, wenn eine Maiko sich mit einem Bediensteten unterhielt, aber es konnte doch nicht schaden, wenn ich seine Männlichkeit genauer betrachtete. Schließlich war es doch Teil meiner Ausbildung, durch Beobachtung zu lernen.
Leise zog ich mich weiter in den Schatten zurück und wartete ab, was er als Nächstes tun würde. Als er sein Schwert streichelte, wurde ich zum Künstler, im Geiste zeichnete ich die Linien nach, während mein Puls zu rasen begann und Hitze in meinen Bauch schoss. Ich konnte den Duft meines Verlangens schnuppern, süß wie frische Mondblüten und sah, wie er steif und hart wurde wie eine Waffe.
Aufgeregt hielt ich den Atem an und stellte mir unser silbriges Gelächter vor, wenn unsere Fingerspitzen sich berühren und er meine zitternde Hand zu seinem Pfeil führen würde. Doch dann trat ich aus dem Schatten, schlenderte durch das Tor, schwang mit den Hüften, leckte über meine Lippen und warf den Kopf zurück. Ich tat so, als wäre ich die berühmte Edelfrau, Lady Jiôyoshi, die ihren Liebsten rettete, indem sie den Shôgun verführte. Folge mir, flüsterte ich tonlos, leckte mir über die Lippen und machte ein saugendes Geräusch. Ich hatte nicht vor, irgendetwas Falsches zu tun, wollte nur die Arme dieses Jungen um mich spüren und den leeren Platz in meinem Herzen ausfüllen.
“Ja, Kathlene-san”, sagte Hisa, verneigte sich tief und spähte unter meinen Kimono, in der Hoffnung, einen Blick auf mein blondes Schamhaar zu erwischen.
“Dafür werden die Götter dich bestrafen”, zog ich ihn auf. Der Geishatradition folgend trug ich unter dem Kimono nichts als ein dünnes Seidentuch. Ich schlüpfte in eine dunkle, schattige Ecke unter dem abfallenden Dach des Teehauses und wartete. Würde Hisa mir folgen?
Er kam. Sofort schlang er die Arme um mich, presste seine Brust gegen meine, mein Körper schaukelte gegen seinen auf der Suche nach den Genüssen, die mir so lange versagt geblieben waren. Ich küsste seine Lippen, seine Wangen und wanderte weiter zu seinen Ohren.
Verloren in der Hitze des Augenblicks erschrak ich doch, als er nach meinen Brüsten griff. Ich versteifte mich, aber das nahm er gar nicht wahr, sondern schob eine Hand unter meinen Kimono.
Nein.
Er sollte mich festhalten, nicht lieben.
Bevor ich ihn daran hindern konnte, schob er den Kimono auseinander und entblößte meine blassen Schenkel. Ich flehte die Götter an, ihre Gesichter abzuwenden, um meine schamlose Leidenschaft nicht zu sehen, befeuchtete die Lippen, sehnte mich nach seinem Kuss genauso wie nach seiner Berührung, doch er küsste mich nicht. Küssen war etwas sehr Persönliches und Erotisches, was nie in der Öffentlichkeit getan wurde. Und doch sehnte ich mich nach seinen Lippen, nach etwas, was über den sexuellen Akt hinausging. Nach Liebe.
“All die Jahre, seit ich dich das erste Mal gesehen habe, warte ich darauf, dass ich dir Vergnügen schenken kann, Kathlene-san”, wisperte Hisa in mein Ohr.
“Ich auch, Hisa-don, aber du weißt, dass es gegen die Regeln ist.” Ich hielt die Luft an, erstaunt über meine eigenen Worte. Ja, ich wollte ihn, aber noch viel mehr wollte ich eine Geisha werden.
“Ich will dich schmecken, Kathlene-san, will deinen herrlichen, süßen Duft riechen, will spüren, wie du meinen Jadestab fest drückst.”
“Das kann ich nicht”, flüsterte ich mit rasendem Herzen, trockenen Lippen, feuchten Händen. “Ich muss gehen, Hisa-don.” Ich warf den Kopf in den Nacken und wich einen Schritt zurück.
“Es heißt, du bist die schönste Maiko in Kioto, Kathlene-san”, sagte er und strich mit der Zunge über mein Ohr.
Unwillkürlich seufzte ich auf, dann atmete ich seinen starken hölzernen Duft ein. “Du bist kein Junge mehr, Hisa-don”, murmelte ich und bedauerte die Worte umgehend. Sein ganzer Körper versteifte sich, er presste sich an mich, ich zerschmolz, lockte ihn.
“Dann erlaube mir,
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