Die Blüte des Eukalyptus
er lügt.
»Bist du sicher?« Jake zeigte auf seine Brust. »Sie hat ein schwarzes Muttermal, genau an dieser Stelle.«
Er glaubte zu sehen, wie die Augen des Jungen aufblitzten, als hätte er sie wiedererkannt. Er zog an der Pfeife und wartete, ohne ihn zu bedrängen. Dieser Junge war kein normaler Verbrecher. Trotz seiner schmutzigen Lumpen und des abgemagerten Gesichts waren seine Züge fein genug, um unter anderen Umständen als vornehm durchzugehen.
Browne schien im Geiste irgendetwas abzuwägen. Jake hatte das Gefühl, als studierte er ihn genau wie einen Schmetterling unter dem Mikroskop.
Schließlich nickte der Strafgefangene widerwillig. »Ich bin mir nicht sicher. Warten Sie hier.«
Jake wartete neben Horatio. Er zügelte seine Hoffnung, um nicht zum x-ten Mal enttäuscht zu werden.
Als der Mann kurz darauf zurückkehrte, hatte er einen Papierbogen dabei, den er aufrollte und ihm reichte.
Als Jake das Porträt sah, zitterten seine Hände vor Wut.
»Ja, das ist meine Jenny – abgesehen von dem schwarzen Haar.« Er sah ihn scharf an. »War ein Mann bei ihr oder ein kleines Mädchen?«
»Nur ein Gentleman, aber sein Gesicht habe ich nicht gesehen. Sie kamen in einer vornehmen Kutsche mit einem Wappen auf der Tür.«
»Wie lange ist das her?«, fragte Jake hastig.
Browne zeigte auf das Porträt. »Auf der Rückseite steht das Datum, an dem ich das Bild gemalt habe. Dann war es ein paar Tage vorher.«
Jake sah sich das Datum an. Er wollte alles wissen, woran der junge Künstler sich erinnerte, selbst wenn die Antworten schmerzten.
»Wie sah Jenny aus? Gut? War sie eher glücklich oder traurig? «
»Sie hat gelächelt, als wüsste sie genau, dass sie jeden Mann um den Finger wickeln kann. Abgesehen von mir. Ich wollte nur ihren Zauber festhalten.« Browne wandte seinen Blick ab. »Tut mir leid, ich hatte vergessen, dass sie Ihre Frau war.«
»Meine Frau ist «, berichtigte ihn Jake.
»Ich hörte, wie sie meinem Master erzählte, sie hätte sich vor mir gefürchtet. Von wegen! Trotzdem wurde ich auf Jonstones Anweisung hin am nächsten Tag zu Schwerstarbeit verdonnert. Das habe ich ihr zu verdanken!«
Jake nickte. »Würdest du mir dieses Bild verkaufen? Es für mich aufheben? Ich zahle jeden Preis. Nur kann ich dir das Geld erst geben, wenn ich von Sydney Town zurück bin. Ich habe einen Faustkampf vor mir.« Jake unterstrich seine Worte. »Einen Kampf, den ich unbedingt gewinnen muss.«
Browne zögerte einen Augenblick, Jake kam es wie eine Ewigkeit vor. »Ich will mich nicht an Ihrem Schmerz bereichern. Sie können es haben.«
»Danke, aber das kann ich nicht annehmen. Es wäre unrecht. Im Moment bin ich ziemlich pleite, aber du kannst sicher sein, dass ich wiederkomme, mit dem Geld.«
»Nehmen Sie es. Geld wird hier nur gestohlen.« Er hielt inne. »Aber Sie könnten mir einen Gefallen tun.«
»Was für einen?«, fragte Jake.
»Wenn Sie das nächste Mal hier vorbeikommen, bringen Sie mir doch bitte ein paar Tuben Ölfarbe und einen feinen Pinsel mit.«
»Wird gemacht. Ich werde dir das nie vergessen« – Jake warf einen Blick auf die Signatur – »Daniel Browne.«
Jake rollte das Porträt zusammen und gab ihm die Hand,
um den Kauf zu besiegeln. Daniel Browne sah ihm in die Augen, während sie sich die Hand schüttelten. Jake fand die Intensität seines Blickes unangenehm. Er war noch nie zuvor einem Künstler begegnet. Ob sie alle ein bisschen verrückt waren, so wie er?
»Du glaubst nicht, dass ich zurückkomme, nicht wahr? Sieh mal, ich habe dir gerade die Hand darauf gegeben. Und jeder weiß, dass Jake Andersen Wort hält.«
Daniel Browne deutete mit dem Kinn auf die Quartiere der Strafgefangenen. »Hier ist das Wort eines Mannes nichts wert. Aber wenn Sie tatsächlich zurückkommen, würde ich Sie gern malen.«
Jake musste lachen. »Soll das ein Witz sein? Mich malen? Wozu um alles in der Welt?«
Daniel holte tief Luft, als nähme er seinen ganzen Mut zusammen, um die passenden Worte zu finden.
»Sie sind Einheimischer, hier geboren. Sie haben etwas, das … anders ist. Sie sind nicht wie die übrigen Männer hier – sie sind hässlich, böse oder innerlich tot. Sie dagegen haben etwas. Sie sind lebendig. Sie haben einen stolzen Gang, als wüssten Sie, wer Sie sind. Lachen Sie nicht. Ich kann in die Seele eines Menschen blicken. Sie lieben dieses Land. Sie beurteilen Menschen so, wie sie sind, fair und gerecht. Das sieht man Ihrem Gesicht an. Und deshalb will ich Sie
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