Die Blüte des Eukalyptus
einem Buschräuber namens Gypsy Gem Smith gehört hätte.
»Der Kerl ist einfach nicht zu fassen. Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Smith’, schließlich sind beide Zigeuner.«
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich habe gehört, dass viele Roma in die Kolonie deportiert werden.«
»Tja, wie alles, was die Engländer loswerden wollen«, sagte er verschwörerisch.
Als er weg war, lehnte sich Keziah gegen die Tür, holte tief Luft und fragte sich, ob ihre Vorstellung ihn überzeugt hatte.
»Gott verfluche deine gaujo -Augen, Kenwood!« Nur ein Gedanke tröstete sie. Gem war frei und in ihrer Nähe.
Vom Fenster aus beobachtete sie, wie Trooper Kenwood an Joseph Blooms Anwesen vom Pferd stieg. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie einen Fehler begangen hatte. Automatisch hatte sie Roma gesagt statt Zigeuner wie alle anderen Weißen. Ob es Kenwood aufgefallen war?
Keziahs Sorgen wurden nicht gemindert, als sie nach der Schule eine handschriftliche Einladung zum Nachmittagstee bei Mr. Joseph Bloom fand, die jemand unter ihrer Tür hindurchgeschoben hatte. Ob es etwas mit Kenwoods Ermittlungen zu tun hatte? Oder war es ein Vorwand, um mit ihr allein zu sein? Obwohl er ihr so liebenswürdig geholfen hatte, Big Bruce MacAlister in der Schule zu behalten, traute sie ihm nicht über den Weg.
Sein Haus war ungewöhnlich. Statt der üblichen von den Wohnquartieren abgetrennten Küche, mit der verhindert werden sollte, dass sich ein Feuer ausbreitete, hatte er gleich zwei davon, die eine Quelle für allerlei Spekulationen im Dorf bildeten. Da die ortsansässigen Frauen den Grund nicht kannten, erfanden sie einen. Keziah hatte gehört, dass Mrs. Rachael, Blooms Haushälterin, zwei Küchen brauchte, weil sie ständig Pfannen und Töpfe verbrannte. Mrs. Rachael sei eine schlechte Köchin, aber gut im Bett! Alle lachten verständnisvoll, nicht gehässig, denn diese Art
von Arrangement war genau das, was Strafgefangene von einsamen Mastern zu erwarten hatten.
Keziah jedoch war hinter die Wahrheit gekommen. Mrs. Rachael, eine polnische Jüdin, die aus Londons East End in die Kolonie deportiert worden war, führte einen koscheren Haushalt. Eine Küche war für das Fleisch, das aus Goulburn kam, die andere für Milchprodukte reserviert.
Keziah blieb vor Joseph Blooms Tür stehen. Am Türpfosten war eine zylinderförmige, silberne Kapsel befestigt, die mit einer seltsamen Schrift bedeckt war. Ähnliche Mesusoth hatte sie in Liverpool und Chester gesehen. Sie wusste, dass sie auf einer winzigen Schriftrolle geschriebene heilige Wörter enthielten. Im Augenblick konnte sie in der Tat etwas Glück gebrauchen!
Während Mrs. Rachael sie ins Wohnzimmer führte, hatte sie Zeit, sie zu studieren – eine ernste Matrone, die so blitzsauber war, dass ihre weiße Schürze allein bei der Erwähnung eines Fleckens zurückschrecken würde. Trotz des fortgeschrittenen Alters der Frau war Keziah klar, dass Einsamkeit die seltsamsten Verbündeten schafft, und ihr Instinkt sagte ihr, dass Mr. Bloom ein sehr einsamer Mann war.
Gast und Gastgeber saßen sich in thronähnlichen Sesseln gegenüber. Zum Glück hatte Keziah sich für Sarannas formelles Reisekostüm entschieden, das sie abgeändert hatte, damit es ihr passte. Joseph Bloom trug einen altmodischen englischen Gehrock mit Nadelstreifenhose und einer goldenen Uhrkette, die von der Westentasche hing. Seine schwarze Kippa sah aus wie ein Teekannenwärmer aus Samt.
Aus einer von Rachaels Küchen kamen polternde Geräusche. Keziah fragte sich, ob es eher die Anstandsdame oder die eifersüchtige Mätresse war, die auf sich aufmerksam machen wollte.
Als Joseph Bloom sich einen Moment entschuldigte, sah sie sich in der Bibliothek um. Manche Bücher waren in einer Sprache verfasst, die sie für Deutsch hielt, andere in einem unbekannten Alphabet. Als sie über den Titel Berühmte Mordprozesse in Großbritannien
stolperte, schreckte sie zusammen. Sie stellte sich Joseph Bloom mit der weißen Perücke eines Anwalts vor. Ein Richter in seiner roten Robe saß unter dem britischen Wappen.
Er kehrte zurück, als sie gerade aufmerksam einen siebenarmigen Kerzenhalter betrachtete. Er bemerkte ihre Neugier und erklärte, was es war.
»Diese Menora ist mein kostbarster Besitz. Ich habe sie von meinem Vater Yitzhak Blum geerbt, Gott hab ihn selig. Er hatte einen Laden für gebrauchte Kleidung und lebte in Armut, damit ich in der Jeschiwa von Worms den Talmud studieren konnte, um
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