Die Blüte des Eukalyptus
Empfindsamkeit zu verbergen suchte. Er hatte den Kopf eines jungen Prinzen auf einer mittelalterlichen Münze. Jake sieht wirklich gut aus , dachte sie.
Verwirrt über sich selbst wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Gilbert Evans Tirade über die niederträchtigen Buschräuber zu. Am liebsten hätte sie ihn angeschrien: »Am Sonntag predigst du von der Kanzel, dabei wissen alle, dass du hier in Bolthole Valley ein Bordell besitzt, du verdammter Heuchler!«
Doch sie schwieg und hasste sich für ihre Ohnmacht. Wie viele dieser Siedler hatten ihre Strafgefangenen aus nichtigen Gründen auspeitschen lassen? Wie viele von ihnen sahen darüber hinweg, dass diese Männer ihre Ländereien mit leerem Magen bewirtschaften mussten? Hobson und Bloom wussten, was Mitmenschlichkeit bedeutet. Aber wie viele der anderen hier waren ohne Schuld?
Gilbert Evans’ Stimme war aalglatt. »Unter uns gibt es Verräter, die Buschräuber unterstützen und ihnen zur Flucht verhelfen. Diese Männer werden sich weigern, unsere Petition zu unterschreiben. «
Keziah sah hinüber zu Jakes stählernen Augen und erkannte deren Botschaft. Er hält es nicht länger aus! Mi-duvel! Jake darf nicht ins Gefängnis kommen!
Und da fand Keziah den notwendigen Mut. Sie sprang auf und forderte Gilbert Evans offen heraus. »Zeigen Sie mir eine Petition, die das Auspeitschen verbietet, und ich werde die Erste sein, die unterschreibt! Eine humane Gesellschaft braucht kein Kriegsrecht!«
Aller Augen waren plötzlich auf sie gerichtet. Mrs. Hill, eine der Witwen, der Keziah regelmäßig in Feagans Krämerladen begegnete, zeigte mit dem Finger auf Nerida. »Das ist doch die kleine Eingeborene des Einäugigen. Was macht die denn hier? Für ihn spionieren?«
Zwei Männer packten Nerida. Gabriel rutschte zu Boden, als Keziah versuchte, sie daran zu hindern.
Jake warf sich ins Getümmel und schrie: »Hände weg von den beiden Frauen, sie gehören zu mir!«
Die kräftigen Männer ließen von Nerida ab und gingen auf Jake los.
»Nieder mit dem Strafgefangenensystem!«, rief Jake. Ein Ire schloss sich seinem Aufruf an, unterstützt von wenigen mutigen Stimmen. Am Ende des Saals flogen bereits die Fäuste.
Jemand griff nach der Petition und warf sie in die Luft. Die losen Blätter flogen durch den Saal und wurden von der Menschenmenge zertrampelt.
Auf der Heimfahrt bemerkte Keziah, dass Jakes Hemdkragen zerrissen war. Trotzdem hatte er so gute Laune, dass er sämtliche Strophen seines Lieblingsliedes The Wild Colonial Boy schmetterte, ohne sie durcheinanderzubringen. Sie war von dem Gefühl
in seiner Stimme beeindruckt. Alles, was Jake sagte oder tat, war ein seltsamer Filter für seine tiefe, wenn auch immer ein wenig verborgene Liebe zu seinem Land.
»Es ist noch gar nicht lange her, da regte dieses Lied die Menschen dermaßen auf, dass man es in den Wirtshäusern nicht mehr singen durfte.« Beide wussten, dass sie es wusste, doch hielt ihn das nicht davon ab, es trotzdem zu sagen.
»Und hat es jemanden daran gehindert, es zu singen?«, fragte sie.
»Nein! Die Leute tranken noch mehr und sangen noch lauter. «
»War Bold Jack Donahoe wirklich so ein guter Mensch?«
Jake ging auf Nummer sicher. »Viele glauben es. Er war mutig. Er starb bei einer Schießerei, als ein ganzer Trupp von Soldaten und Troopern ihn umzingelt hatte. Er beschimpfte sie und rief: ›Kommt doch her und holt mich‹ , bevor er erschossen wurde. Er war sechsundzwanzig, so alt wie ich. Er war mein Held, als ich noch ein kleiner Junge war. Meine Mutter hat sich deswegen keine Sorgen gemacht, sie kam ja selbst aus Irland. Seltsam, was für eine Kraft ein Lied haben kann.«
»Mein Vater spielte Musik, bei der man entweder weinen oder tanzen musste. Oder bis zum letzten Blutstropfen kämpfen.«
Jake dachte einen Augenblick darüber nach. »Du hast den Kleinen nach ihm benannt.«
Sein Instinkt überraschte sie. »Das habe ich dir nie erzählt!«
»War auch nicht nötig.«
Als sie die Hütte erreichten, brachte Jake Nerida und den schlafenden Murphy auf seiner Schulter zu ihrer goondie . »Gute Nacht, Neri. Tut mir leid wegen des Aufruhrs.«
»Du bist ein guter Mensch, Jake«, sagte sie, ohne eine Miene zu verziehen. »Für einen gubba .«
Jake grinste. »Ich bin der Beste in einem Haufen böser weißer Männer, stimmt’s?«
Nachdem sie Gabriel ins Bett gebracht hatte, fasste sich Keziah
ein Herz und stellte ihre Frage. »Jake, könntest du noch auf ein Glas bleiben? Ich brauche
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