Die Blüte des Eukalyptus
gehen würde. Und falls er dir übel mitspielen sollte, knöpfe ich ihn mir vor!«
Lily sah auf den Umschlag, rührte ihn jedoch nicht an. Dann lächelte sie.
»Was für eine Ansprache! Obendrein von einem Mann, der Taten lieber mag als Worte.« Sie krümmte den kleinen Finger. »Wie wäre es, wenn wir unseren Abschied feiern?«
Jake seufzte. »Morgen werde ich mich selbst verfluchen, aber ich bin unterwegs, um meine Tochter aus einem Kloster zu holen. « Er drehte sich an der Tür um. »Darf ich dich zum Abschied küssen?«
Lily nickte. Jake küsste sie mit offenen Augen. Er fühlte sich wie ein Soldat, der in die Schlacht zieht und weiß, dass er nicht zurückkehren wird.
Drei Tage später fand Jake am westlichen Rand des Stammesgebietes der Wiradjuri das, was er suchte. Das zweistöckige Gebäude stand in der Mitte eines Gehöfts, auf dem kahlköpfige Strafgefangene Heu machten. Nirgendwo gab es einen Hinweis darauf, dass es sich um ein Kloster handelte. Aber vielleicht waren Katholiken in diesem Teil des Busches nicht wohlgelitten. Offensichtlich führten nur zwei Schwestern das Haus. Die ältere Nonne bat Jake, ihr zu folgen.
In Schwester Mary Bridgets Büro stellte sich Jake mit dem Hut in der Hand vor.
»Ich heiße Jakob Andersen, Ma’am. Und ich bin nur zur Hälfte katholisch. Ma schon. Pa nicht. Ich bin eher so was wie ein Agnostiker. Damit will ich nur darauf hinweisen, dass es nicht böse gemeint ist, falls ich etwas Falsches sagen sollte.«
Schwester Mary Bridget nickte. »Danke, mein Sohn. Ich werde es berücksichtigen.«
»Meine Tochter ist Schülerin hier; ich habe sie seit Jahren nicht gesehen. Es ist eine lange Geschichte, und Sie sind viel beschäftigt, aber ich habe die Erlaubnis ihrer Mutter mitgebracht.«
Die Nonne las Jennys Brief aufmerksam durch. »Ich fürchte, dass man Ihnen einen üblen Streich gespielt hat. Unter meinem Dach lebt keine Jenny Pearl Andersen.«
Er merkte, wie seine Stimme vor Enttäuschung immer lauter wurde. »Wie? Dann muss sie unter einem falschen Namen hier sein. Haben Sie ein Mädchen mit dem Namen Troy? Oder della Lorenzo? Lassen Sie mich einen Blick in Ihre Schülerliste werfen! «
Schwester Mary Bridget warf ihm einen eisigen Blick zu. »Dieser Brief berechtigt Sie nicht, eine meiner Schülerinnen zu sehen. Bitte haben Sie die Güte, wieder zu gehen, und zwar sofort!«
»Seien Sie doch nicht so herzlos, Schwester! Seit Jahren suche ich meine Tochter. Merken Sie denn nicht, dass es nur ein Trick ihrer Mutter ist?«
Innerhalb von Sekunden wurde Jake von drei mit Heugabeln bewaffneten Strafgefangenen zum Eisentor gedrängt. Er hätte sie mit links fertigmachen können, aber er wollte sich nicht wie ein Raufbold aufführen, falls Pearl sich doch im Kloster aufhielt.
Schwester Mary Bridget beobachtete die Szene stumm von der Tür aus, als eine Gruppe von neugierigen Schulmädchen in grauer Uniform wie aus dem Nichts auftauchte, um der Szene beizuwohnen.
Verzweifelt musterte Jake ihre Gesichter, doch keine hatte Ähnlichkeit mit dem Bild, das er von Pearl in Erinnerung hatte.
Er rief Schwester Mary Bridget zu: »Bitte, Schwester, fragen Sie die Mädchen, ob mich eines von ihnen wiedererkennt!«
Die Nonne reagierte nicht, also wandte sich Jake direkt an die Mädchen. »Ich suche ein kleines Mädchen, das Jenny Pearl Andersen heißt, aber vielleicht hat ihre Mutter ihren Namen geändert. Ich bin ihr leiblicher Vater. Ganz gleich, was ihre Mutter
gesagt hat, ich habe sie nie im Stich gelassen und werde es auch nicht tun!«
Ein streitbarer Gärtner hielt Jake die Heugabel an die Brust und zwang ihn zurück auf den Kiesweg. Als Jake durch die sonnenbeschienene Krone eines Apfelbaums blickte, sah er das überschattete Gesicht eines kleinen Mädchens, das ihn durch die Äste anstarrte. Noch ehe er richtig hinschauen konnte, war es vom Baum gesprungen und lief auf die Küche zu. Anders als seine Mitschülerinnen trug es ein marineblaues Kleid und darüber den Kittel einer erwachsenen Frau.
Er packte die Gabel mit der Hand, drehte sich um und rief Schwester Mary Bridget zu: »Lassen Sie mich in Ihrer Anwesenheit mit diesem Mädchen reden. Was haben Sie zu verlieren, Schwester?«
Die beiden Nonnen berieten sich leise, dann bedeuteten sie den Strafgefangenen, wieder an die Arbeit zu gehen.
Schwester Mary Bridget forderte Jake auf, ihr durch den Korridor zu folgen. Der frischgebohnerte Boden war glatt. Jakes Blick schweifte über die Reihe von Porträts an der
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