Die Blüte des Eukalyptus
einfache Frage brach ihm das Herz. Die kleine Prinzessin, die er jahrelang im Herzen getragen hatte, war in seinem Innern
gestorben. Ihren Platz hatte ein seltsames Mädchen angenommen, das aussah wie eine alte Puppe mit Froschaugen und einem ausdruckslosen Gesicht. Jake spürte ein Brennen in den Augen, aber keine Tränen. All die verlorenen Jahre. Dank Jenny. Dann zwang er sich zu einer Lüge.
»Hey, ich würde meine kleine Prinzessin immer erkennen!«
Mit erstickter Stimme wandte er sich an die Nonne. »Wie viele Beweise wollen Sie noch, Schwester?«
Obwohl Schwester Mary Bridget dem Mädchen weitere Fragen stellte, spürte Jake, dass die Schlacht zu seinen Gunsten verlief. Er hörte, wie sie ihr erklärte, dass ihr Vater viele Jahre lang nach ihr gesucht hätte. Ihre Mutter sei weggegangen, aber sie hätte ihrem Vater die Erlaubnis erteilt, sie zu sehen.
Jake fühlte sich schrecklich leer. Er wusste, dass er etwas unternehmen, etwas Bedeutsames sagen musste, nur was? Wie, zum Teufel, konnte er die Kluft überwinden, die in den Jahren zwischen ihnen entstanden war? Der Kloß in seinem Hals war so groß, dass er würgen musste.
Er stand auf. »Ich nehme sie mit, Schwester. Nichts und niemand wird mich daran hindern.«
Schwester Mary Bridget nickte. »Vergiss nicht deine Gebete, mein Kind.«
Die Zeit für einen Neubeginn war gekommen. Jake nahm Pearl an der Hand, und beide traten zusammen in die Sonne hinaus. Sie musste hüpfen, um mit ihm Schritt zu halten.
»Wo gehen wir hin, Papa?«, fragte sie.
Jake hob sie auf Horatio. »Das weiß ich noch nicht genau, aber eins ist sicher. Ich werde dich nie wieder aus den Augen lassen, mein Kleines!«
VIERZIG
N och Tage nach der Feier zu Ehren des Trafalgar-Jahrestags ärgerte sich Keziah, dass Jake und sie sich so knapp verpasst hatten. Warum hatte er sie nicht besucht? War Jenny in sein Leben zurückgekehrt? Keziah hatte das Gefühl, dass ihr Jake so nah war wie ihr eigener Herzschlag, dennoch konnte sie trotz der Gabe, auf die sie sich seit ihrer Kindheit hatte verlassen können, nun seine nächsten Schritte nicht vorhersagen.
Und dann kam sie eines Tages von der Schule nach Hause und fand zu ihrer Verwunderung einen an Saranna Browne adressierten Umschlag von dem Mann, der nie Briefe schrieb. Von Tintenklecksen umgeben fand sie ein paar Zeilen in höchst ungewöhnlicher Rechtschreibung. Das Schreiben war nicht datiert, die Botschaft aber klar und unmissverständlich:
Es ist eine Menge passiert. Bin unterwegs nach Ironbark. Habe jemand bei mir. Tu mir einen Gefallen und überstürze nichts, bis ich zurückkomme. Jake
Keziah blieb nichts anderes übrig, als auf ihn zu warten.
Beim Klopfen an der Tür schöpfte sie neue Hoffnung, doch als sie diese öffnete, stand Caleb Morgan vor ihr. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ihn seit Tagen nicht zu Gesicht bekommen hatte. Mit dem Hut in der Hand musterte er sie ernst. Sein hochnäsiges Auftreten war fast gänzlich verflogen. Er sah seltsam verletzlich aus. Kein Vergleich zu dem selbstsicheren Gentleman, der gemeint hatte, er könne sich wieder in ihr Leben drängen, sie mit seinem
umwerfenden Charme einwickeln und zusammen mit Gabriel nach Sydney Town entführen.
»Auf der Feier von Dr. Ross habe ich mich kurz mit diesem Einheimischen unterhalten, Andersen. Und seitdem drücke ich mich vor einer Sache, der ich mich zuerst nicht stellen wollte.«
Keziah bot ihm einen Platz an und versuchte, die Botschaft hinter seinen Worten zu entschlüsseln.
»Ich bin nicht mehr der Mann, der ich einmal war, Keziah. Ich glaube, dass dieses Land einen verändert, wenn man lange genug überlebt. Aber selbst in der Wüste, als ich glaubte, jeder Tag wäre mein letzter, habe ich mich nicht gelangweilt. Zuhause hat mich alles angeödet, Cambridge, die Pferderennen, das Flirten mit den handverlesenen Damen, die mein Vater für mich aussuchte. Es scheint, als hätte mein Leben erst begonnen, als ich mich in dich verliebte. Deshalb habe ich dich gesucht, bis ich dich wiedergefunden habe.«
Er hielt kurz inne. »Ich weiß jetzt, dass ich diesen See im Landesinneren nur finden wollte, um dich zurückzugewinnen. Und in meiner Ignoranz habe ich tatsächlich geglaubt, dass es mir gelingen und ich in die Geschichte eingehen würde. Ich bin eines Besseren belehrt worden. Aber habe ich mich auch geirrt, was uns betrifft? Ich weiß nicht, ob ich die Antwort in Wahrheit überhaupt wissen möchte, trotzdem kann ich dir die Frage nicht ersparen,
Weitere Kostenlose Bücher