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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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seinem Vater sprach, gab sich Caleb stets liebenswürdig, machte jedoch keinen Hehl aus seiner Verachtung für seine junge Stiefmutter Sophie, die noch keine zwanzig Jahre alt war. Offiziell litt sie an Melancholie und war ans Bett gefesselt, doch Caleb hielt es für einen Trick, um Mitgefühl zu wecken.
    Keziah hingegen vermutete, dass die tratschenden Dienstboten Recht hatten und die junge Herrin an den Folgen einer Fehlgeburt litt.
    Als Mrs. Wills Keziah nach oben beorderte, um die Herrin zu pflegen, nachdem deren Kammerzofe wegen einer Unpässlichkeit ausgefallen war, betrat sie das matt erleuchtete Schlafzimmer mit dem festen Vorsatz, Mitgefühl zu haben.
    Sophie Morgan deutete gereizt auf einen kleinen Tisch, auf dem verschiedene Medizinfläschchen und Gefäße aufgereiht waren. »Bring mir die kleine blaue Flasche.«
    Schmerz und Schwäche zeichneten das hübsche Gesicht der jungen Frau, doch Keziah zögerte. Sie erkannte die Buchstaben L-D-N-M auf dem handgeschriebenen Etikett. Laudanum! Sie wusste, wie gefährlich diese Gewohnheit war, und wollte die Herrin warnen, es lieber nicht zu nehmen.
    Im gleichen Augenblick funkelte Sophie Morgan sie wütend
an. »Worauf wartest du? Bring mir die Flasche. Und dann lass mich in Ruhe.«
    Keziah war frustriert, weil sie wusste, dass sie ihr helfen könnte. Sie hatte sich mit dem älteren Gärtner des Hauses angefreundet und besaß alle Kräuter, die man brauchte, um die Gebärmutter nach dem Verlust eines Babys zu reinigen. Schließlich reichte sie ihr die Flasche, machte einen Knicks und verließ das Zimmer.

    Am nächsten Morgen hörte Keziah zufällig, wie sich ein Hausmädchen bei Mrs. Wills darüber beschwerte, dass Master Caleb befohlen hatte, ihm »diese Zigeunerin«, so drückte sie es aus, in die Bibliothek zu schicken, wo sie von nun an seine Trophäen polieren sollte – dabei sei das doch ihre Aufgabe!
    Prompt nahm Mrs. Wills Keziah ins Gebet. »Wenn ich erfahre, dass du Master Caleb gewisse Gefälligkeiten erweist, fliegst du ohne einen Penny raus, Stanley.«
    Keziah hob das Kinn. »Ich bin eine verheiratete Frau und denke nicht daran, meinen Mann zu betrügen.«
    »Eine Zigeunerehe! Das zählt gar nichts.«
    Keziahs Ton war gefährlich höflich. »Für mich schon, Mrs. Wills.«
    Damit eilte sie in die Bibliothek, wo Caleb gelangweilt auf einem Diwan lag, neben ihm auf dem Boden ein unbeachtetes Buch.
    »Vier Wände von oben bis unten voller Bücher!« Sie schnappte nach Luft. »Haben Sie die alle gelesen?«
    »Liebe Güte, nein. Du liest wohl gern, wie?« Caleb war belustigt, als er sah, wie sie auf die erste Bibliothek in ihrem Leben reagierte.
    »Ich mag am liebsten Geschichten.« Sie stockte, hob dann wieder den Kopf. »Wir waren immerzu unterwegs, deshalb habe ich nie richtig lesen gelernt, aber die Buchstaben kenne ich alle.«
    Caleb beobachtete sie eine Weile bei der Arbeit, dann wurde er unruhig.

    »Erzähl mir von deiner Kindheit«, sagte er. »Ich habe meine zum größten Teil mit einem trotteligen, alten Hauslehrer verbracht. Schrecklich öde. Wie ist es, wenn man als Zigeunerkind in einem Wohnwagen aufwächst?«
    »Roma-Kinder«, verbesserte sie höflich, »haben eine herrliche Kindheit, eng verbunden mit der Natur. Jedes Kind hat bestimmte Pflichten. Es sieht vielleicht so aus, als lebten wir völlig wild, aber wir erweisen unseren Eltern und Großeltern absoluten Respekt, und sie geben ihre Fähigkeiten an uns weiter. So habe ich gelernt, mit Pflanzen umzugehen.« Dann setzte sie demonstrativ hinzu: »Deshalb weiß ich auch, dass Ihre Stiefmutter von Laudanum abhängig werden könnte.«
    Er reagierte mit träger Gleichgültigkeit. »Ärzte verschreiben ihren Patienten, von zahnenden Babys bis hin zu Schwindsüchtigen, die eine oder andere Opiumtinktur. Einmal habe ich damit meinen Kater vertrieben.«
    »Meine Großmutter ist eine große Heilerin, die schon mehreren Menschen das Leben gerettet hat. Sie hat mir alles über Kräuter und das Lesen aus der Hand beigebracht. Ich habe auf Jahrmärkten und in Herrenhäusern gutes Geld für meine Familie verdient. Aber nur bei den gaujo .«
    »Ich bin ein gaujo , also kannst du auch mir aus der Hand lesen. Na los, das ist ein Befehl«, schimpfte er. »Oder muss ich dir erst die Hand versilbern?« Da bemerkte er ihren Ausdruck. »Nein, warte, ich wollte dich nicht beleidigen! Ich frage nur, weil ich seit meiner Kindheit Angst hatte, früh sterben zu müssen.«
    Es war eine charmante Lüge, und Keziah

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