Die Blüte des Eukalyptus
erheblich schlimmer als das bisschen Blut. Also nehme ich das Risiko gern in Kauf.«
Erschöpft lag sie im Bett, und Jake war hinunter zum Fluss gegangen, als Keziah die zarten Umrisse eines kleinen Mädchens mit dunklem Haar auf der Türschwelle erkannte. Das Kind starrte sie einige Sekunden an, dann begann es zu flackern, wurde immer dunkler und verschwand schließlich.
Keziahs Herz weinte, aber die Tränen wollten nicht kommen. Sie wusste, jetzt war es vorbei.
Sie war allein, als der kleine Fötus tot zur Welt kam. Dann hörte sie Patronellas Fluch in ihrem Kopf: »Du wirst das Kind deines Herzens begraben.«
Als Jake zurückkehrte, klang ihre Stimme flach und trocken. »Bitte, bring mir eine saubere Schüssel und meinen geblümten Seidenschal. Grab ein Loch neben der schwarzen Akazie, und dann komm wieder her.«
Sie sprach einen Roma-Segen für das Kind, dessen Zeit noch nicht gekommen war. Dann verknotete sie den Schal um die Schüssel, nahm ihre goldenen Ohrringe ab und gab sie Jake, als er zurückkam.
»Leg sie ihr mit ins Grab. Und sprich dein gaujo -Gebet. Ich habe meine bereits aufgesagt.«
Jake schwieg. Doch Keziah wusste, dass er seine Trauer für sich behielt.
Völlig ausgelaugt fiel sie in einen tiefen Schlaf, den Kopf in Jakes Arm gebettet. Ausnahmsweise hatte sie vor dem, was der nächste Tag brächte, keine Angst.
Zwei Wochen kochte Jake für die Familie und bestand darauf, dass sie sich erholte. Eines Nachts wachte Keziah im Dunkeln auf. Eine Welle von Übelkeit überwältigte sie. Inmitten ihrer Trauer
und Verwirrung sah sie plötzlich einen Hoffnungsschimmer. Hatte vielleicht ein Zwilling wider alle Erwartung überlebt? Hatte eine kleine Seele Platz gemacht für ihr Geschwisterchen? Sie drückte Jake im Schlaf fest an sich, aber sagen würde sie es ihm erst, wenn sie ganz sicher war.
Die ganze Nacht flüsterte sie ein Roma-Gebet. Bitte, Gott, mach, dass ich wieder gesund werde.
Von der höchsten Stelle, zu der ihre Seele sich emporschwingen konnte, schickte sie ihre Bittgebete empor. Mi-duvel, lass mich Jakes Kind zur Welt bringen.
DREIUNDVIERZIG
D aniel Browne war auf dem Weg nach Hause. Fröhlich bog er mit einer Flasche Wein aus Hunter Valley unter dem Arm in die Elizabeth Street ein.
Als er nach Sydney Town gekommen war, hatte ihm Dix, ein Künstlerkollege, ein Zimmer in seinem Stadthaus mit Blick auf den Hyde Park angeboten. Daniel war dankbar für die großzügige Einladung und hatte auch kein schlechtes Gewissen, da er wusste, dass Dix von seinem Erbe lebte und von der Depression verschont geblieben war. Bald hatte er erfahren müssen, dass Dix’ Freundschaft auch ihren Preis hatte, doch diesen war er zu zahlen gewillt. Er hatte noch nie ein so kostbar eingerichtetes Haus gesehen. Es platzte aus allen Nähten vor Erinnerungsstücken aus fernen Ländern und antiken Möbeln, die Dix während seiner Gran Tour durch Europa gesammelt hatte. Die Mansarde war Daniels Reich. Sie hatte perfektes Nordlicht zum Malen, genügend Stauraum für seine vielen Leinwände und ein bequemes Bett. An der Wand hatte er Jakes Porträt aufgehängt. Nur dieses eine Bild war ihm wichtig.
Er schloss die Haustür auf und lief die Treppe zum ersten Stock hoch, indem er zwei Stufen gleichzeitig nahm. Er hatte doppelten Grund zur Freude. Zum einen kam er von einem hohen Staatsbeamten, der soeben das Porträt bezahlt hatte, das er auf Empfehlung von Julian Jonstone von ihm angefertigt hatte. Zum anderen war er damit beauftragt worden, eine Dame aus der Oberschicht zu malen.
Er platzte in den Salon und rief ausgelassen: »Ist jemand zuhause?« Er hatte geglaubt, dass Dix mit irgendeinem exotischen
Gericht in der Küche auf ihn warten würde. Er spielte gern den Koch, um sich abzulenken, wenn er mit seiner Arbeit nicht vorankam – was in den letzten Monaten immer öfter der Fall war.
»Hey, Dix. Wo steckst du? Ich habe großartige Neuigkeiten!«
»Hast du mich gerufen, Danny Boy?« Dix kam aus dem Schlafzimmer, er war blass und hatte verquollene Augen. Er schlang sich den Gürtel seines Morgenmantels aus Brokat um die plumpen Hüften. Irgendwie wirkte er zerfahren.
»Du bist früh zurück, Danny Boy. War dein Treffen nicht um vier?«
»Ja, ursprünglich schon, aber heute Morgen kam ein Bote, als du noch deinem Schönheitsschlaf fröntest. Die Verabredung wurde um zwei Stunden vorverlegt.«
Daniel nahm zwei Kristallgläser und schenkte ihnen ein.
»So, jetzt wird gefeiert! Gott sei Dank bin ich mit
Weitere Kostenlose Bücher