Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
Vom Netzwerk:
Bloom erbeten hatte, damit er ihrem Ruf als »mordende Lehrerin« etwas entgegenzusetzen hatte.
    Während sie neben dem Wärter saß und darauf wartete, in den Gerichtssaal geführt zu werden, fühlte sich Keziah ungewöhnlich ruhig. Am liebsten wäre sie allein mit ihren Gedanken gewesen,
doch der geschwätzige Mann hielt es für seine Pflicht, sie mit den Gerüchten der Strafgefangenen über die Hinrichtung von Dunkley und Beech zu unterhalten.
    »Lucretia war auch Waliserin. Aber Sie unterscheiden sich wie Tag und Nacht.«
    »Ich stamme aus Cheshire«, berichtigte ihn Keziah, was aber den Wärter nicht davon abhielt weiterzuplappern.
    »Sie hatte ein hartes, pockennarbiges Gesicht wie ein Mann. Hielt sich offenbar für besonders schlau, als sie ihren Liebhaber, einen Freigelassenen, dazu anstachelte, den alten Dunkley umzubringen, um an seine Farm zu kommen. Am Ende landete sie vor dem Finisher. Ihren Schädel hat man nach Sydney Town geschickt, damit die Phrenologen da ihn mal richtig unter die Lupe nehmen.«
    »Sie haben ihr den Kopf abgetrennt?«, fragte Keziah entsetzt.
    »Aye«, prahlte der Mann stolz. »Ich selbst war bei der Bestattung der enthaupteten Leiche dabei. Ein Strafgefangener hat hier im kleinen Hof ein Loch unter den Pflastersteinen gegraben. Da steht sie jetzt aufrecht drin, damit sie niemals Frieden findet in der Hölle!«
    Als er Keziahs zu Tode erschrockenes Gesicht sah, fügte er hastig hinzu: »Aber machen Sie sich keine Sorgen, Mrs. Browne. Dass Sie eine Dame sind, sieht doch jeder Trottel. Sie wird man ganz anders behandeln.«
    Tot oder lebendig? Sie spürte, wie sie erneut in den unnatürlichen Ruhezustand hinüberglitt, der sie seit der Feuernacht von der Realität isoliert hatte. Dann fielen ihr Leslies Worte ein: »Er braucht etwas Zeit, um seine Wirkung zu entfalten, aber er wird Sie beruhigen, Mädchen.«
    Zu spät erkannte sie die Bedeutung, die dahintersteckte. Tee? Er hat etwas hineingetan!

    Der Wärter führte sie über die kleine Gasse außerhalb der Gefängnismauern zum Gerichtsgebäude. Sie sah die Welt um sich
herum wie durch einen Schleier. Die ersten Gaffer, die der Prozess gegen eine Frau angelockt hatte, starrten sie aus leeren Gesichtern an und zeigten mit den Fingern auf sie. Um ihren Blicken auszuweichen, sah sie zu der wuchtigen Kuppel hinauf, an die sie sich noch aus Jakes Prozess erinnerte und die die einzige natürliche Lichtquelle im Gerichtssaal bildete. In die steinerne Fassade waren nur blinde Fenster eingelassen.
    Der Wärter folgte ihrem Blick zu einem asiatisch bunten Wagen in der Gasse. Davor saßen ein Chinese mit einem dünnen Zopf und eine Eingeborene. Nerida und Sunny Ah Wei winkten ihr zaghaft zu, und Keziah bedankte sich mit einem Lächeln.
    »Merkwürdige Freunde!«, meinte der Wärter verächtlich.
    Keziahs Gefühle waren völlig abgestumpft, trotzdem zwang sie sich, sie zu verteidigen. »Meine Freunde zeigen Mut.«
    »Schwarze dürfen sowieso nicht in den Gerichtssaal!«, erwiderte der Wärter, als wollte er damit einen Schlussstrich ziehen.
    Als er sie dann von ihrer Zelle im Gerichtssaal zur Anklagebank brachte, verfolgte Daniel sie mit seinem Blick. Man hatte keinen Stuhl für Keziah bereitgestellt.
    »In ihrem Zustand kann meine Frau unmöglich stehen!«, protestierte Daniel.
    Keziah warf einen Blick auf die weiblichen Gaffer, die in der zweistufigen Zuschauerbank saßen. Sie sah aus wie die Miniaturausgabe einer Ehrentribüne bei einem Kricket-Spiel. In der hinteren Reihe erkannte sie eine Frau, die ihr Gesicht unter den Zipfeln einer eleganten Haube verbarg. Es war die Frau, von der Daniel ihr im Prozess gegen Jake erzählt hatte, Richter Hambertons Gattin.
    Keziah sah sich die Gesichter der »zwölf ehrenwerten Geschworenen« an. Obgleich sie darin keine Spur von Mitgefühl erkennen konnte, empfand sie keine Angst. Was hatte sie mit ihnen zu schaffen? Die Welt fühlte sich angenehm an und auf unnatürliche Art unscharf.
    Vor der Bank der Gerichtsdiener stand ein wuchtiger Tisch aus
Mahagoni, bedeckt mit Stapeln von Schriftrollen, die mit rosafarbenen Schleifen verschlossen waren.
    Solche Schleifen brauche ich für Pearls Haar. Wo ist sie? Und wo ist Gabriel? Die Antworten bedurften einer gewissen Konzentration, zu der sie nicht in der Lage war, also ließ sie ihren Gedanken freien Lauf.
    Ein Gerichtsschreiber schrieb mit kratzender Feder, Gestalten mit weißen Perücken und schwarzen Roben versammelten sich um den großen Tisch in der

Weitere Kostenlose Bücher