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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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Menge lernen. Es ist kein Sujet, das ich mir selbst ausgesucht hätte, aber es wird eine ausgezeichnete Übung sein .
    Daniel suchte unter allen leeren Leinwänden nach einer, die seinem Zweck dienlich wäre. Dann machte er sich an die Arbeit, in der Gewissheit, dass niemand ihn stören würde. Sein Herr verbrachte inzwischen die meisten Abende in seinem Arbeitszimmer und studierte die beunruhigenden Geschäftszahlen.

    Am Abend von Plews’ Geburtstagsfeier kam Daniel etwas zu früh. Unter dem Arm hatte er sein Geschenk: das Porträt seines Herrn, aus dem Gedächtnis gemalt.
    Vor der erwarteten Rückkehr ihres Vaters von dem Treffen mit einem Kunden hängte Saranna Daniels Bild an einen Ehrenplatz über dem Kamin, bevor sie geschäftig davoneilte, um Tante Georgina bei den letzten Vorbereitungen zu helfen.
    Daniel stand allein vor dem Porträt und war hochzufrieden
mit der Art und Weise, wie gut er die zerfurchten Züge seines Modells, den kurzen grauen Bart und die breiten, vom Alter ausgehöhlten Wangenknochen getroffen hatte. Er war stolz darauf, das Wesentliche seines Charakters eingefangen zu haben, seinen scharfen Yorkshire-Verstand, gemildert von dem aufmerksamen, beinahe wehmütigen Blick der Augen.
    Als Plews eintrat, fuhr er zusammen.
    »Aye, sehr beeindruckend. Du hast mich bis ins kleinste Detail getroffen, mein Junge. Nicht mal die ständig gerunzelte Stirn aus der letzten Zeit fehlt. Es sind unsichere Zeiten, und wir befinden uns auf rauer See.«
    »Ich werde nach Kräften versuchen, Ihnen beim Segeln zur Hand zu gehen, Sir.«
    »Aye, mein Junge, das hast du schon getan. Mr. Gordon ist sehr zufrieden mit der Restaurierung seiner Landschaftsbilder. Er hat sogar etwas mehr bezahlt, als ich verlangt habe. Sagte, er hätte nie gedacht, dass du im Stande wärst, das sechste zu retten, nachdem es so schwer beschädigt war.«
    Daniel spürte, wie seine Hände eiskalt wurden. »Das sechste?«
    »Aye, ich fand es auf der Staffelei in deinem Keller. Das hast du gut gemacht. Abgesehen von der alten Leinwand wirkt es genauso frisch wie die anderen fünf. Eine bemerkenswerte Leistung, Glückwunsch. Unserer Partnerschaft steht nichts mehr im Wege, mein Junge.«
    Daniel hätte fast gewankt unter der schweren Hand, die sich auf seine Schulter legte. Seine Gedanken waren in Aufruhr.
    Heiliger Strohsack, was soll ich machen? Mr. Plews braucht unbedingt Geld, um die Rechnungen zu bezahlen. Der Besitzer ist begeistert von der Arbeit, und als Sammler glaubt er, dass alle sechs vom gleichen Maler stammen. Ich wollte nichts Unrechtes tun. Muss ich mich offenbaren?
    Daniel hörte erst die alte Pendeluhr sieben Mal schlagen und dann sich selbst sagen: »Ihre Anerkennung freut mich, Sir.«
    Sarannas Auftritt mit einer doppelstöckigen Geburtstagstorte, die mit sechzig brennenden Kerzen geschmückt war, trug zu der
festlichen Stimmung bei, doch als er ihren untrüglich von Liebe erfüllten Blick sah, bekam er plötzlich Kopfschmerzen. Er wusste, was jetzt von ihm erwartet wurde. Ein Heiratsantrag.

    Während des Sommers nahm Daniels Nervosität zu. Zwar hatte er keinen direkten Hinweis auf seine Absichten bezüglich Saranna erkennen lassen, doch saß er jetzt regelmäßig mit der Familie in deren Kirchenbank.
    In der Öffentlichkeit war er stets freundlich und respektvoll Saranna gegenüber, aber auch entschlossen, alles zu unterlassen, was missdeutet werden könnte. Es war klar, dass Saranna in ihm einen der Helden aus den Romanzen sah, die sie so gern las. Und ebenso klar war es, dass sie nach seiner Liebeserklärung schmachtete.
    Als er an diesem Morgen neben ihr in der Kirchenbank saß, sah er, wie sich ihre behandschuhte Hand fast unmerklich auf ihn zubewegte – eine unausgesprochene Einladung, sie zu ergreifen. Stattdessen verschränkte er die Arme und versuchte, sich auf die Predigt zu konzentrieren. Als der alte Vikar die Warnung des Apostel Paulus zum Thema Keuschheit und Ehe zitierte, schienen die Worte direkt auf ihn gemünzt zu sein.
    »… es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren. Wegen der Gefahr der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben, und jede soll ihren Mann haben … Wenn sie aber nicht enthaltsam leben können, sollen sie heiraten. Es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren.«
    Aus dem Augenwinkel sah Daniel Saranna erröten.
    Er hielt den Atem an. Eine Ehe mit Saranna würde meine Zukunft als Künstler festigen. Warum zaudere ich, mir diesen Vorteil zu Nutze zu machen? Als ich

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