Die Blüte des Eukalyptus
Würde er mit ihr schlafen können? Ja. Aber ihr jemals wieder vertrauen? Niemals!
Im tiefsten Innern wusste Jake, dass das Trinken keine Lösung war. Sobald die Wirkung des Grogs nachließe, würde er seine innere Stimme nicht mehr zum Verstummen bringen können, und die sagte ihm immer wieder, dass er nur noch ein Schatten des Mannes war, der er einmal gewesen war. Jenes seligen Schwachkopfs, der sich für einen König hielt, weil er Jenny und die Kleine hatte.
Jake rüttelte den Schwarzen wach. »Weißt du, was einen Mann fertigmacht, Kumpel? Das Gewissen. Aber ich habe keins! Ich könnte den Mann, der mir meine Frau weggenommen hat, umbringen und deswegen keine einzige schlaflose Nacht verbringen. «
Der Jamaikaner lächelte ihm verständnisvoll zu und schüttelte die Hand, die Jake ihm anbot.
Jake hockte sich in einer Ecke der Zelle nieder und behielt die Tür im Auge. Es wäre nicht das erste Mal, dass man ihn im Schlaf überrumpelte und verprügelte. Er tastete nach seiner Hemdtasche. Jennys Taschentuch duftete immer noch schwach, aber
dafür, dass seine kleine Pearl jemals existiert hatte, besaß er keinen eindeutigen Beweis.
Nachdem er seine Entlassung aus dem Watch House einen ganzen Tag lang gefeiert hatte, torkelte Jake die Bent Street hinauf. Das Blut aus der Wunde an der Schädeldecke rann über seine Hemdbrust. Oben auf dem Hügel blieb er stehen und versuchte, zum Hafen hinabzusehen. Im Norden lagen zwei Frachtschiffe vor Anker, eins hatte die gelbe Flagge gehisst, ein Zeichen für Fieber an Bord. Noch vor Anbruch der Morgendämmerung würde das Rum Hospital vor neu eingetroffenen, kranken Strafgefangenen aus allen Nähten platzen, und diejenigen, die man nicht unterbringen konnte, lägen auf der Rasenfläche davor verstreut.
Ich lasse mich nicht von irgendeinem verdammten Arzt abwimmeln , schwor sich Jake.
Geräuschvoll polterte er durch einen leeren Korridor, der von wenigen Deckenlampen erleuchtet war. Auf halbem Weg wurde er von einem stämmigen, graubärtigen Arzt aufgehalten, an dessen wiegendem Gang Jake einen Seemann erkannte.
»Nicht so laut, Mann. Lassen Sie den Kranken und Sterbenden ihre verdiente Ruhe!«
Jake war nicht so betrunken, dass er das rollende R eines Schotten nicht erkannt hätte.
»Ich bin Dr. Ross. Setzen Sie sich. Ihr Name?«
»Jakob Andersen. Jake.«
»Wohnort?«
Mit einem Mal wurde Jake misstrauisch. »Keinen. Wozu wollen Sie das wissen?«
»Für den Fall, dass Sie sterben. Wohin sollen wir Ihre sterblichen Überreste schicken?«
Jake war beinahe wieder nüchtern. »Jesses! Ist meine Wunde so schlimm?«
»Schlimm genug!«, lautete die knappe Antwort. »Könnt ihr
englischen Hitzköpfe euch denn nicht mal für fünf Minuten aus Scherereien heraushalten?«
»Ich bin hier geboren«, antwortete Jake. »Hey, was machen Sie mit dem verdammten Ding da?«
Dr. Ross fummelte mit einem gefährlich aussehenden Gerät an Jakes Wunde herum. »Halten Sie still. Oder wollen Sie, dass ich Ihnen das Hirn aussteche?«
Jake senkte den Kopf wie befohlen. Er kniff ein Auge zu und beobachtete mit dem anderen den Arzt, der zufrieden brummte, als er etwas herauszog. Es schmerzte dermaßen, dass Jake glaubte, es müsse tief im Kieferknochen gesteckt haben.
»Sieh mal einer an, was haben wir denn da?« Dr. Ross hielt eine Glasscherbe in die Luft und betrachtete sie mit sachkundigem Interesse. »Der Form nach zu urteilen, würde ich sagen, dass sie vom Hals einer Rumflasche stammt. Und aus der Größe der Schnittwunde möchte ich schließen, dass Ihr Trinkkumpan Ihnen eins übergebraten hat, mein Junge. Sie stinken, als hätten Sie sich seit Tagen mit Grog abgefüllt.«
»Falsch«, verteidigte sich Jake umgehend. »Heute ist mein erster Tag nach der Entlassung aus dem Watch House. Ich wollte nur in aller Ruhe was trinken. Und plötzlich fliegt mir eine Flasche gegen den Kopf, noch ehe ich Zeit habe, dem Kerl eine zu verpassen. Lustig war es nicht gerade, Doc.«
»Dann wollen wir mal sehen, ob ich Sie mit ein paar Stichen erheitern kann«, sagte der Arzt und tupfte die Wunde mit einem Desinfektionsmittel ab. »Anschließend können Sie wieder nach Hause. Wir haben kein einziges Bett mehr frei. Gerade ist ein Schiff mit einer Ladung kranker Sträflinge eingelaufen. Kranke wie Sie, die noch gehen können, müssen zusehen, wo sie eine Bleibe finden.«
»Ich brauche kein Bett, Doc. Flicken Sie mich wieder zusammen, damit ich zurück kann, um den Kampf zu Ende zu führen.«
Nachdem
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