Die Blüte des Eukalyptus
Aussicht auf einen anständigen Lohn. Die Wahrheit war, dass sich ihre Freude am Lesenlernen mit ihrer heimlichen Freundschaft zu Caleb vermischt hatte.
Verträumt stand sie da und beobachtete, wie das abnehmende Licht den Garten in dunkle Schatten hüllte.
Dann setzte sie sich neben die Statue und entzifferte im Schein des aufgehenden Mondes die Buchstaben auf dem Sockel. A-R-T-E-M-I-S. Die griechische Göttin der Jagd und des Mondes.
Sie blickte zu dem Gesicht aus Marmor auf und sagte höflich: »Verzeih mir, aber ich habe meinen eigenen Glauben.«
Keziah betete zu Shon , dem Geist des Mondes. »Ich bitte dich, führe mich zu meinem Liebsten, zu Gem.«
Sie schloss die Augen und überließ sich der kostbaren Erinnerung an ihre Hochzeitsnacht.
Der blecherne Rhythmus, den die betrunkenen Gäste vor ihrem vardo auf Kesseln erzeugt hatten, war verstummt. Sie waren allein. Keziah stellte verblüfft fest, dass Gems jungenhaftes Draufgängertum verflogen war. Er war sehr nervös, und ihr wurde bewusst, dass sie auf ihre weiblichen Instinkte zurückgreifen musste.
» Wir werden es uns gegenseitig beibringen, mein Rom«, flüsterte sie. »Zeig mir, wie ich dich dazu bringe, mich für immer zu lieben. Nichts kann falsch laufen, mein Gem. Niemals!«
Beide waren bereit, ihre eigene Unbeholfenheit zuzugeben und den anderen rückhaltlos zu bewundern, bis sie endlich den Zauber ihrer Körper und den Rhythmus entdeckten, der sie vereinte.
Keziah erlebte mit geschlossenen Augen erneut die Liebe mit Gem, das wilde Hin und Her zwischen seiner Zärtlichkeit und seiner Leidenschaft, die so schnell in Eifersucht umschlagen konnte. Doch die siebenjährige Haftstrafe lastete schwer auf ihr. Würde ihre Liebe die Probe von Zeit und Raum bestehen?
»Ach, Liebster, vergiss mich nicht«, flüsterte sie, von Sehnsucht überwältigt.
»Wie könnte man dich je vergessen, Keziah?«
Caleb kam mit einer Champagnerflasche, zwei Gläsern und einem schiefen Lächeln auf sie zu. Er war wie immer elegant gekleidet, nur der Haarwirbel auf seinem Hinterkopf ließ sich nicht zähmen.
»Ich wusste, dass ich dich hier finden würde. Es gibt etwas zu feiern. Ich habe es endlich geschafft, von Cambridge gefeuert zu werden. Willst du immer noch nach Botany Bay?«
Keziah nickte verwirrt. »Ja, bald.«
Sie fühlte sich nackt, als hätte er sie beim Liebesakt mit Gem ertappt.
»Dann feiern wir jetzt unseren Abschied, Keziah.« Caleb schenkte den Champagner ein und stieß mit ihr an. »Auf deine glückliche Wiedervereinigung mit Gem.«
»Sie sind sehr großzügig, Caleb.«
»Ein Gentleman weiß, wann er verloren hat. Darf ich mir ein
Sonett von John Donne ausborgen? Von meinem Herzen für dein Herz.«
Keziahs Augen waren feucht, als er die letzten Worte rezitierte:
»… But since this god produced a destiny
And that vice-nature, custom, lets it be;
I must love her, that loves not me … «
»Hören Sie auf, Caleb!«, bat sie.
»Kann sich dein Herz bereitfinden, mir einen Abschiedskuss zu geben?«, fragte er leise. »Nur einen Kuss zwischen zwei Freunden? Nicht mehr, ich verspreche es dir. Einen Kuss, damit wir einander nicht vergessen?«
Aus einem Impuls heraus beugte sich Keziah vor. Seine Lippen spielten mit ihrem Mund und machten sie sanft gefügig. Keziah schloss die Augen und sah Gems lächelndes Gesicht vor sich, doch es war Calebs Stimme, die plötzlich flüsterte: »Keziah, was hast du mit mir gemacht?«
Ihr Schrei ging in der Heftigkeit seines Kusses unter. In ihrer Panik sah sie einen Augenblick lang das Verlangen in seinen Augen. Ein verhängnisvoller Fehler, denn mit einem Mal spürte sie, wie ihr Körper seine Leidenschaft erwiderte.
Ihre Sehnsucht nach Gem kämpfte mit Calebs sanfter, leidenschaftlicher Begierde.
»Ja! Jetzt gehörst du mir «, flüsterte Caleb ihr in den Mund.
Sie war verloren.
Im Morgengrauen erwachte Keziah nackt in einem Wirrwarr von schweißgetränkten Laken auf ihrem Bett. Neben ihr schlief Caleb, sein Kopf ruhte auf ihrer Schulter, seine Hand auf ihrer Brust.
Sie fühlte sich heiß und fiebrig und versuchte verzweifelt, die Erinnerung an die letzte Nacht aus ihrem Kopf zu vertreiben. Es war furchtbar.
Ihre Scham schlug plötzlich um in ein Gefühl von Furcht, als
sich ein Schatten in der Ecke des Zimmers bewegte und Mrs. Wills leise zur Tür hinausglitt.
Von Panik erfüllt, rüttelte Keziah Caleb wach. »Du musst sofort hier weg!«
Der Schlaf hatte ihn erfrischt und seine Lust keineswegs
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