Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
Vom Netzwerk:
damit gemeint
war. Auf seinem Weg durch The Rocks, wo er mit Mac Mackie ein Bier trinken wollte, wurde Jake von einem etwa siebenjährigen schmutzigen und barfüßigen Mädchen angesprochen.
    »Hey, Mister!«, rief es aus einem Gässchen und leierte die übliche Einladung hinunter. Jake hatte noch nie derart derbe Ausdrücke aus dem Mund eines Kindes gehört. Der tote Ausdruck in den Augen der Kleinen und die Art, wie sie den Rock hob und ihm die nackten Oberschenkel zeigte, ließen keinen Zweifel.
    Er schüttelte den Kopf, drückte ihr ein paar Münzen in die Hand und ging mit großen Schritten auf The King’s Head in der Argyle Street zu. Einen schrecklichen Augenblick lang hatte er Pearls zutrauliches Lächeln in dem Gesicht der kleinen Prostituierten aufblitzen sehen.
    Nach etlichen Runden erzählte Jake Mac, wie frustriert er war, weil seine monatelange Suche nur einen einzigen kleinen Hinweis zu Tage gefördert hatte.
    Mac bot ihm seine Hilfe an. »Ich bin fast die ganze Zeit mit der Postkutsche für Rolly Brothers unterwegs. Wenn du eine Bleibe suchst, kannst du in meiner Hütte in Tagalong unterkommen. Und was du zum Leben brauchst, lässt du im Australia Arms auf meinen Namen anschreiben. Der protestantische Wirt wird sich um dich kümmern.«
    Jake nickte dankbar. Sie tranken schweigend weiter, bis Jake seine Trostlosigkeit und Verzweiflung nicht länger verbergen konnte.
    »Nur für eine Nacht, Mac. Ich muss mich volllaufen lassen. Allein.«
    Beide wussten, was das hieß. Mac zuckte die Achseln und brach auf. »Du weißt, wo du mich findest, mein Freund.«

    Um zehn Uhr abends machte The Rocks seinem Ruf als der Sündenpfuhl des Südpazifiks alle Ehre. Das von Strafgefangenen erbaute Watch House aus Sandstein, in dem Jake sich am Morgen nach Jenny erkundigt hatte, platzte nun wie jeden Samstagabend
vor lokalen Streithähnen und ausländischen Seeleuten aus allen Nähten.
    Jake grölte betrunken und streitlustig. Drei Polizisten schleiften ihn über die Steinfliesen der winzigen Zelle, und er versuchte vergeblich, den Kopf vor den Schlägen ihrer Knüppel einzuziehen. Als die Eisentür hinter ihm ins Schloss fiel, rüttelte er an den Gittern.
    »Ihr seid wohl nicht Manns genug, um es einzeln mit mir aufzunehmen, was?«
    Die Zelle lag im Keller, durch ein schmales vergittertes Oberlicht sah man die Passanten draußen in der alkoholisierten Welt vorbeigehen. Jake bemerkte seinen Zellengenossen – einen jamaikanischen Matrosen, der wie ein riesiger Säugling schlafend auf dem Boden lag.
    »Weswegen bist du hier, Kumpel?«, fragte er mit verschlafener Stimme.
    »Gotteslästerung in der Öffentlichkeit. Was, zum Teufel, geht dich das an?«, entgegnete Jake.
    »Gotteslästerung? Dann wirst du mich wohl kaum im Schlaf umbringen«, antwortete der Jamaikaner freundlich, drehte sich um und schnarchte weiter.
    Jake begutachtete seine Wunden. Es wurmte ihn, dass er es nicht geschafft hatte, mit drei Polizisten fertigzuwerden, und jetzt blutete. Sie hatten einen doppelten Vorteil gehabt, sie waren nüchtern und obendrein mit Knüppeln bewaffnet gewesen, trotzdem hatte Jakes Ego einen Dämpfer bekommen. Und jedes Mal, wenn ein Uniformierter an der Zelle vorbeikam, schrie er los.
    »Ich kann drei von euch erledigen, selbst wenn ihr mir eine Hand auf dem Rücken festbindet!« Er wippte auf den Fersen und erinnerte sich an die tödliche Wucht seiner linken Hand. »Nun ja, zumindest, solange es nicht die linke ist.«
    Schließlich lehnte er sich mit dem Rücken an die Wand und glitt zu Boden. Aller Grog der Welt konnte seine Schmerzen nicht
lindern – dass Jenny ihn verlassen und mitgenommen hatte, was ihm gehörte. Pearl. Die Worte aus Jennys Abschiedsbrief hallten durch seinen Kopf. Ich kann nicht mehr so tun, als liebte ich Dich … Ich bin mit jemandem unterwegs, der uns immer beschützen wird.
    Was war er für ein Idiot! Jahrelang war er in Jenny verliebt gewesen und hatte geglaubt, sie wäre glücklich mit ihm, bis dieser elende Fremde sich hinter seinem Rücken an sie herangemacht hatte. Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, dachte er daran, wie Jenny und er sich gegenüberstehen würden. Könnte er sie dann wieder bei sich aufnehmen? Seine erste Reaktion war, nein, auf keinen Fall. Aber seine Liebe für Pearl verwirrte ihn. Was, wenn er seine kleine Prinzessin nur um den Preis zurückbekäme, dass er sich bereiterklärte, mit Jennys Verrat zu leben? Würde er seine Frau noch lieben? Liebe? Das Wort ekelte ihn an.

Weitere Kostenlose Bücher