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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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Dr. Ross vergeblich nach einer Krankenschwester gerufen hatte, wandte er sich ärgerlich wieder Jake zu.

    »Zuchthäusler, die meiste Zeit betrunken. Die Behörden halten uns verdammt knapp. Ein Wunder, dass die armen Schweine überhaupt überleben.«
    Jake lächelte. »Sind Sie schon lange hier, Doc?«
    »Sieben Monate zu lang.«
    »Sie kamen als Arzt mit einem Strafgefangenentransport, stimmt’s?«
    »Stimmt«, entgegnete Dr. Ross. Er schob einen Faden durch das Öhr einer langen Nadel ein und musterte aufmerksam Jakes Schädel.
    Der war besorgt. »Sie haben so was doch schon mal gemacht, nicht wahr, Doc?«
    »Aye. Ich habe meine Karriere auf einem Kriegsschiff Seiner Majestät begonnen, wo ich Seeleute zusammengeflickt und ihnen die Gliedmaßen amputiert habe, bis sie uns nach Napoleons Abdankung den Lohn halbiert haben.«
    Rasch und geschickt wickelte der Arzt einen Verband um seinen Kopf. Er war so lang, dass Jake das Gefühl hatte, für einen Kostümball mit einem indischen Turban ausstaffiert zu werden.
    »Gefällt es Ihnen hier? Wollen Sie bleiben?« Jake gab sich Mühe, zwanglos zu klingen – die meisten Neuankömmlinge, die ihm über den Weg liefen, schimpften auf sein Geburtsland, sodass er sich stets in der Defensive sah.
    »Ehrlich gesagt, bin ich nicht abgeneigt. An die Hitze muss man sich gewöhnen, aber das Land ist überwältigend. Groß genug jedenfalls, um sich darin zu verlieren.«
    »Sie wollen Ihre Spuren verwischen, was, Doc? So wie alle, die hierherkommen.«
    Dr. Ross warf ihm einen Blick über seine Brille hinweg zu. »Sie sind nicht so betrunken, wie es den Anschein hat, mein Junge.«
    »Wir Currency Lads wissen, wie wir Neuankömmlinge einzuschätzen haben. Die armen Schweine, die die Briten in Ketten herschicken, sind durchaus nicht nur miese Verbrecher. Trotzdem bekommen wir mehr Snobs, verarmte Edelleute, besserwisserische
Johnnies, Schnorrer und Faulenzer, als wir verdient hätten. Die eine Hälfte kommt in Ketten, die andere kommt her, um auf uns hinabzusehen und sich mehr Land unter den Nagel zu reißen, als sie zuhause je gehabt haben. Aber glauben Sie mir, Doc, in diesem Land trennt sich die Spreu vom Weizen sehr schnell.«
    »Ganz schön lange Rede«, sagte Dr. Ross, befestigte den Verband mit einer Nadel und setzte ironisch hinzu: »Ich nehme an, dass Sie für mich auch schon eine passende Schublade gefunden haben?«
    Jake dachte kurz nach. »Meiner Meinung nach hätten Sie das Zeug, es durchzustehen.«
    »Ich will es als Kompliment auffassen. Das Problem ist nur, dass mir Sydney Town nicht besonders gefällt. Zu viel Bestechung, Korruption, Inkompetenz und bösartiger Tratsch.«
    »Da haben Sie Recht! Vermutlich wäre eine Praxis im Busch genau das Richtige für Sie. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es dort keinen Tratsch gibt – die ganze Kolonie lebt davon –, aber wenn Sie mehr oder weniger nüchtern bleiben, könnten Sie fordern, was Sie wollen, wo immer Sie Ihr Schild hinhängen.«
    »Hätten Sie einen Vorschlag, in welche Richtung ich gehen sollte?«
    »O ja. Gehen Sie in den Süden, etwas ins Landesinnere. Wunderbare Landschaft um Goulburn, Gunning, Berrima und Kaffs wie Tagalong und Ironbark.«
    Dr. Ross wusch sich die Hände. »Sie können auf meinen Rat hören oder es bleiben lassen, ganz wie Sie wollen. Aber wenn jemand trinkt, um sich zu zerstören, ist das reine Dummheit. Er ruiniert seine Gesundheit und sein Leben.«
    Jake gluckste überrascht. »Sie nehmen aber auch kein Blatt vor den Mund, was, Doc?«
    Wie ein Seemann, der einen Befehl ausgibt, sagte Dr. Ross: »Es gibt zwei eiserne Regeln im Leben. Wenn man betrunken ist, sollte man sich weder prügeln noch mit einer Frau ins Bett gehen.«
    »Da haben Sie allerdings Recht, Doc. Lassen Sie sich blicken, wenn Sie in den Süden kommen, ich gebe Ihnen einen aus. Sie mögen doch Whisky, stimmt’s?«
    Dr. Ross lachte und winkte ab. »Scotch. Und jetzt machen Sie, dass Sie rauskommen. Ab zur nächsten Prügelei, wie ich Sie einschätze.«
    Jakes Stimmung schlug um. »Nein, Doc. Irgendwo da draußen treibt sich ein Halunke herum, der nur darauf wartet, dass ich ihn kriege. Niemand stiehlt Jake Andersen seine Frau und sein kleines Mädchen – und kommt mit dem Leben davon!«
    Dr. Ross nickte bedächtig, als hätte er nicht den geringsten Zweifel an der Drohung.

ACHT
    E inmal Zigeuner, immer ein Dieb!«, zischte Mrs. Wills dem Butler zu.
    Keziah erstarrte beim Decken des Frühstückstisches für die

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