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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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was sie heimlich mitbrachte. Jetzt war sie Mrs. Smith. Eine Witwe, unterwegs in den Süden, wo sie Gem vermutete. Und als sie an ihn dachte, berührte sie den filigranen Goldring, den er ihr an ihrem Hochzeitstag geschenkt hatte.
    Die seltsame Schönheit des Landes überwältigte sie. Die weiß getünchten Dörfer, an denen sie gelegentlich vorbeikamen, hätten aus irgendeiner ländlichen Gegend in England stammen können. Abgelegene Buschhütten, deren Holzbalken von Sonne, Wind und Regen ausgebleicht waren, standen wie robustes Unkraut in dieser fremden Erde. Der Busch selbst flog als verwischte, endlose Folge von seltsamen Bäumen vorbei, die nichts mit den ihr namentlich bekannten englischen Bäumen und Pflanzen gemein hatten.
    Jedes Mal, wenn sie einem einsamen Reiter begegneten, rief Jake Andersen ihm einen Gruß zu. Als sie eine barfüßige schwarze Familie sah mit einem Kind, das sich an den Rücken seiner Mutter klammerte, empfand Keziah eine Welle der Zuneigung. Wurden solche Frauen von den gaujo auch wie minderwertige Wesen behandelt, so wie die Roma in England?
    Sie umfasste erneut das kostbare Amulett ihrer Großmutter,
das sie unter der Bluse trug. Eines Tages würde sie sich stolz und offen zu ihrer Herkunft bekennen können.

    Tagelang waren sie Straßen gefolgt, die so neu aussahen, als wären sie erst am Morgen durch den Busch geschlagen worden. Am oberen Kamm eines steilen Hügels verlangsamte die Kutsche ihre Fahrt, und Jake rief: »Hey, Herrschaften! Schauen Sie mal da rechts rüber! Wetten, dass Sie auf dem alten Kontinent noch nie so was gesehen haben?«
    Die Kutsche kam zum Stehen. Jake Andersen hatte nicht übertrieben. Von riesigen Eukalyptusbäumen gesäumt, breitete sich ein weites Panorama unter ihnen aus.
    Keziah stieg aus der Kutsche und rannte bis zum Rand der Klippen. Sie hatte das Gefühl, ein Adler zu sein, der aus seinem Horst hinabsah. Die violetten, orangefarbenen und olivgrünen Wellen von Bergen in der Ferne glichen einem riesigen gewebten Teppich. Unter ihnen lag eine weite Ebene, in der es von winzig wirkenden Tieren mit langen, wie Säbel gebogenen Schwänzen wimmelte. Sie sprangen durch das Tal wie auf Federn und verschwanden im dichten Schatten des Buschs. Keziah breitete die Arme aus, als wollte sie die Szenerie umarmen.
    »Die Götter haben dieses Land gesegnet!«
    Plötzlich merkte sie, dass Jake Andersen sie neugierig beobachtete. Was war bloß mit ihm los? Lächelte er denn nie? Sie ignorierte die Warnung ihrer Großmutter. Wenn sie eine schlechte Wahl traf, würde sie sich im Leben mit drei Männern einlassen, von denen einer rotgoldenes Haar hätte. Nun, mit Caleb Morgan habe ich tatsächlich einen verheerenden Fehler begangen. Und Jake Andersen hat rotgoldenes Haar. Doch nach allem, was ich gesehen habe, wimmelt diese Kolonie nur so von Männern mit keltischen Zügen.
    Jake Andersen faszinierte sie. Er war der erste Currency Lad, mit dem sie sich unterhalten hatte. Er drückte sich anders aus als jeder Engländer, dem sie je begegnet war, und sah auch anders
aus. Er war ein einsilbiger Mensch, jedes Wort zählte. Sein Blick schien zu sagen, dass er niemanden für besser oder schlechter als sich selbst hielt. Er ist nicht unbedingt arrogant, aber er duldet nicht, dass die Engländer sein Land kritisieren .
    Und jetzt beobachtete er sie.
    »Recht so!«, sagte er. »Sie müssen zu Fuß da runter, es ist sicherer so. Der Hang ist ganz schön steil.«
    Keziah trat zu ihm zurück. »Warum ketten Sie diesen Baumstamm an die Kutsche?«
    »Na, damit sie nicht zu schnell wird und irgendwo zerschellt. Dann müssten Sie den ganzen Weg auf dem Rücken eines Ponys zurücklegen.«
    Dann gab er den übrigen Passagieren ein Zeichen. »Auf geht’s. Lassen Sie sich Zeit. Nicht, dass sich jemand die Knochen bricht. Hier gibt es weit und breit keinen anständigen Arzt.« Dann bemerkte er seinen Fauxpas und setzte rasch hinzu: »Nichts für ungut, Doc.«
    O’Flaherty lachte. »Keine Sorge, mein Junge.«
    Keziah hob den Rock an und ging vorsichtig voran. Als sie sah, wie sich Saranna Plews an Dr. O’Flahertys Arm klammerte, musste sie schmunzeln. Mittlerweile war er so voll wie eine Haubitze. Wer führte da wen?
    Voller Bewunderung beobachtete sie, wie Jake sein Pferdegespann fachmännisch die steile Böschung hinunterführte.
    Doch als er unten angekommen war, winkte er ab. »Das war gar nichts.«
    Saranna Plews zog es vor, sich allein auf einen Baumstamm zu setzen, also nahm Keziah

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