Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
Vom Netzwerk:
vertrug er es nicht, jeden Tag halbwegs unter Wasser zu verbringen. Er ist ersoffen. Manche meinen, freiwillig.«
    Als der Aufseher weg war, wurde Daniel von widersprüchlichen Emotionen überwältigt. Schock und Traurigkeit lähmten ihn, seine Schuldgefühle flammten wieder auf, weil er mit dazu beigetragen hatte, das Leben des alten Mannes zu verkürzen. Dann erfüllte ihn plötzlich Scham, die einem unerwarteten Gefühl der Erleichterung entsprang. Jetzt war niemand mehr am Leben, der ihn hätte verraten können! Doch plötzlich fiel ihm etwas ein, das ihn erstarren ließ. Verfügte jetzt vielleicht der Teufel in Person über diese Macht?

    Erst als er den riesigen Baumstumpf sah, der so tief im Boden steckte, dass man hätte meinen können, seine Wurzeln reichten bis in die Tiefen der Hölle, wurde ihm das wahre Ausmaß seiner Strafe bewusst. Und außer ihm war niemand mehr dieser Aufgabe zugeteilt worden.
    Er kochte vor Wut. Die kleine Hexe hatte ihn verführt, sich mit ihr zu unterhalten. Sie hatte mit ihm gespielt wie ein Kätzchen mit einem Wollknäuel. In seiner Frustration richtete sich seine Wut gegen Saranna. Sie hatte versprochen, ihm bis ans Ende der Welt zu folgen. Wo blieb sie dann nur? Er schwang seine Hacke und schlug mit voller Wucht gegen den Baumstamm.
    Frauen – diesen Schlampen darf man einfach nicht über den Weg trauen.

ZWÖLF
    J ake Andersen stieß einen leisen Fluch aus, als er die Namen und Zielorte der fünf Passagiere las, die auf seiner Liste standen. Er wollte alles richtig machen auf seiner ersten Fahrt für Rolly Brothers. Trotzdem wusste er, dass es ein harter Kampf würde. Jesses! Anständige Frauen sind in dieser Kolonie so knapp wie Wasser in der Wüste. Was für ein Glück! Bei fünf Passagieren kriege ich zwei davon ab. Eine alte Jungfer und eine Witwe. Und beide frisch mit dem Schiff aus England. Bestimmt sind sie zimperlich wie sonst was. Und mit so was muss ich mich jetzt wochenlang rumschlagen!
    Jake warf einen Blick auf die Uhr über dem Eingang zum White Horse Tavern. Sechs. Höchste Zeit, dass die Postkutsche aufbrach. Doch bislang war nur einer seiner Fahrgäste erschienen. Durchs Fenster sah er, wie sich Dr. Fergus O’Flaherty aus Irland in der Kneipe der Kutschenstation einen Schluck aus seinem silbernen Flachmann genehmigte: für unterwegs. Seine Whisky-kiste hatte Jake bereits auf dem Dach der Kutsche vertäut, doch von diesem Passagier waren keine Unannehmlichkeiten zu befürchten – der Doc war ein echter Gentleman, der den Hut vor jeder Frau zog, die vorbeikam.
    Jake sah noch einmal aufmerksam nach dem Pferdegespann, er konnte es kaum abwarten, endlich loszufahren. Größe und Glanz von Sydney Town ließen ihn kalt. Im Vergleich zu englischen Städten mochte es nur ein Tropfen im Ozean sein, trotzdem war ihm die Stadt nach wie vor zu groß.
    Er blies sich in die Handflächen, um sie zu wärmen, und warf einen Blick auf den Verkehr in der George Street, der Hauptverkehrsader, die in die Stadt hinein und hinaus führte. Es gab
schlichte Kaleschen, Vierspänner, Droschken, flotte Einspänner, Wagen und Karren, die mit landwirtschaftlichen Produkten aus Windsor und Parramatta beladen waren. Es war Markttag, überall wurden Stände mit Gemüse und Obst aufgebaut. In den Straßen wimmelte es von Männern. Die einzigen Frauen waren abgehärtete Farmersfrauen oder müde, hüftschwingende Weibsbilder, die in Jake nur einen potenziellen Kunden sahen.
    Eine junge Frau blieb stehen und versuchte ihr Glück. Das strähnige Haar fiel ihr über die nackten Schultern, und sie stank nach Gin, doch ihre Stimme war hoffnungsvoll. »Worauf hättest du Lust, Kleiner?«
    Jake tippte sich an den Hut. »Danke, aber ich kann es mir nicht leisten, meine Pferde allein zu lassen.«
    Sie tauchte in der Menge unter, als hätte es sie nie gegeben.
    Jake spürte einen Kloß im Hals, als er sich an das erinnerte, was der Constable über durchgebrannte Frauen gesagt hatte, die am Ende ihre Körper in den Straßen von The Rocks verkauften. Würde Jennys Verehrer sie verlassen, wenn er sie satthatte? Jake fragte sich, was er machen würde, sollte Jenny jemals so tief sinken. Die Antwort wollte er lieber nicht wissen.
    In diesem Augenblick blieb eine anständige Frau vor ihm stehen, und Jake wusste sofort, das würde Ärger geben. Trotzdem nahm er den Hut ab und versuchte, es sich nicht gleich mit ihr zu verderben.
    »Ich bin Ihr Kutscher, Jake Andersen. Sie sind bestimmt Mrs. Smith oder Saranna

Weitere Kostenlose Bücher