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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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Überleben.
    Als sie den nächsten Gasthof erreichten, schubste Keziah Saranna sanft zu einem einfachen Tisch, der durch ein Netz vor den Fliegenschwärmen geschützt war. Da sie Sarannas prekäre finanzielle Lage ahnte, flüsterte sie ihr ermutigend zu: »Jake sagt, das Essen hier ist umsonst.«
    Dr. O’Flaherty war in gesprächiger Stimmung. »Na, wie gefällt Ihnen der australische Busch, Miss Plews?«
    Sarannas Antwort war höflich, aber abschätzig. »Schwer zu vergleichen mit Englands üppiger grüner Schönheit. Ich fürchte, die Bäume hier in der Kolonie sehen alle gleich aus.«
    »Wenn man einen Baum gesehen hat, kennt man alle, meinen Sie?«
    Keziah konnte ihren Missmut nicht länger für sich behalten. »Ist das alles, was Sie sehen? Jeder Tag bringt doch eine neue
Art von Schönheit ans Licht. Spüren Sie es nicht in Ihrem Blut? Dieses Land hat Feuer im Bauch!«
    Saranna wirkte überrascht und blickte sich fragend um.
    Keziah sah, wie Jakes Mund zuckte, als wäre er zum ersten Mal belustigt.
    »Sie werden auch noch dahinterkommen. Hier ist alles anders. Die Bäume, das Wetter, die Tiere – sogar die Art, wie wir denken und sprechen.«
    O’Flaherty goss Whisky in seinen Teebecher und sagte: »Ich habe gehört, dass die Jungs von hier glauben, der Matrose wäre genauso viel wert wie sein Kapitän. Vermutlich haben Sie nicht viel für uns übrig, die wir zuhause geboren sind, wie?«
    »Da haben Sie halbwegs Recht. Aber wir stutzen die Briten nur dann zurecht, wenn sie es nicht anders verdienen. Sie, Doc, brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
    O’Flaherty gluckste. »Manchmal zahlt es sich doch aus, Ire zu sein.«
    Keziah wurde bewusst, dass es das erste Mal war, dass sie Jake Andersen entspannt lachen sah. Hinterließ die Reise etwa auch bei ihm Spuren?
    Als Saranna schüchtern fragte, was mit den Strafgefangenen geschah, die ihre Strafe abgesessen hatten, horchte auch Keziah auf.
    »Wenn sie begnadigt wurden, heißen sie Freigelassene, ansonsten sind es Entlassene oder ehemalige Sträflinge – aber alle kommen frei! Sie können Geschworene werden oder Polizisten. Manche ehemalige Strafgefangene haben ein Vermögen gemacht und speisen am Tisch des Gouverneurs. Die Briten haben ihr eigenes Verständnis von Gerechtigkeit, aber wir handhaben eben vieles anders – zum Guten und zum Schlechten.«
    Damit schlenderte Jake davon. Keziah lief ihm nach, um ihm eine persönliche Frage zu stellen.
    »Im letzten Gasthaus habe ich eine Zeitung gesehen, aber ich kann nicht besonders gut lesen. Wurde über irgendwelche
Buschräuber berichtet?« Sie interessierte sich nur für einen Buschräuber, Gem. Verständlicherweise missdeutete Jake Andersen ihre Sorge.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben, Mrs. Smith. Ich trage immer eine geladene Schrotflinte bei mir.«

    Eigentlich sollte der Gasthof eine kleine Oase der Bequemlichkeit sein, doch es gab Probleme, weil eine Kutsche der Konkurrenz vor ihnen angekommen war und es nun an Zimmern fehlte. Als Jake Andersen loszog, um die Pferde zu versorgen, hörte Keziah, wie die Frau des Wirtes sich bei Saranna Plews dafür entschuldigte, dass sie ihr Zimmer mit Mrs. Smith teilen müsse.
    »Ich glaube nicht, dass Mrs. Smith diejenige ist, für die sie sich ausgibt. Ich kenne ihre Sorte aus der alten Heimat. Bestimmt ist sie eine Zigeunerin. Ich rate Ihnen, verstecken Sie Ihr Geld unter der Matratze. Sie wissen doch, Zigeuner stehlen wie die Raben.«
    Wütend stolzierte Keziah davon. Als sie an der Rolly-Brothers-Kutsche vorbeikam, spürte sie, wie das Baby aus lauter Solidarität gegen ihren Bauch trat.
    Jake Andersen hatte es sich unter der Kutsche zum Schlafen gemütlich gemacht. Er blickte beunruhigt auf, als sie ihn durch die Räder ansprach.
    »Ich will mich bei Ihnen für Ihre Geduld bedanken. Als ich in dieses Land kam, hatte ich die schrecklichsten Geschichten über Kopfjäger und Menschenfresser gehört. Jetzt aber wird mir klar, dass dieses Land seine eigene Schönheit besitzt. Ich könnte hier Jahre leben und nur an der Oberfläche seines Zaubers kratzen. Gute Nacht, Mr. Andersen.«
    »Jake«, berichtigte er sie. Dann fragte er, ob ihr Bett in Ordnung sei.
    Keziah nickte bloß und ging weiter in Richtung Stall. Dort baute sie sich ein Lager aus Stroh und legte ihren Schal darauf. Trinkwasser gab es hier nicht. Gerade als sie überlegte, ob das Wasser in der Tränke sauber genug wäre, um sich darin Gesicht
und Hände zu waschen, entdeckte sie Saranna Plews, die

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