Die Blüte des Eukalyptus
Witwe MacAlister besuchen.
Mit einem Topf in der Hand ging Keziah auf die heruntergekommene Farm zu, in deren Richtung Big Bruce an jenem Abend, als sie in Ironbark angekommen war, seine Schafherde getrieben hatte. War das wirklich erst fünf Wochen her?
Ihr ganzes Leben drehte sich um dieses seltsame, kleine Dorf am Ende der Welt mit seiner Mischung aus australischen Farmern, Siedlern, die aus allen Ecken der Britischen Inseln kamen, und einem Deutschen. Sie hatte kaum Zeit, sich mit etwas anderem zu beschäftigen als ihrer neuen Rolle als Lehrerin, doch das war ein Segen, denn so verging die Zeit, bis sie sich auf die Suche nach Gem machte, viel schneller. Er war schon immer eifersüchtig gewesen. Sie konnte ihn unmöglich mit ihrem dicken Bauch konfrontieren. In drei Monaten würde sich das neue Leben einen Weg in die Welt gebahnt haben. Und was wäre dann? Sie verdrängte die Frage, auf die sie keine Antwort hatte, aus ihrem Kopf.
Ein vorderes Fenster der MacAlister-Farm war mit Brettern vernagelt. Das rostige Tor am Eingang hing nur noch an einer Angel. Die Scheune war derart schief, dass allein der Stamm eines robusten Eisenrindenholzbaums ihren Einsturz verhinderte.
Auf dem angrenzenden Maisfeld, wo die Pflanzen trotz der Dürre ums Überleben kämpften, blieb Keziah vor einer Vogelscheuche stehen, die in der Mitte aufgestellt worden war, um die Elstern fernzuhalten. Mit ihren ausrangierten Männerklamotten, dem ausgefransten Strohhut, Armen, die waagerecht auf einem Besen ruhten, und dem im Wind flatternden Haar wirkte sie auf seltsame Art lebendig.
Als ein Hund auftauchte und sich in einem Hosenbein verbiss, rief die Vogelscheuche: »Verpiss dich!«
» Mi-duvel! Das ist ja Bruce!«, flüsterte sie erschrocken.
Dann kam eine Frau aus dem Haus auf sie zu. »Sie wollen uns wohl ausspionieren, wie? Sie Wichtigtuerin!«
Mrs. MacAlisters Gesicht war sonnenverbrannt und zerfurcht wie ein verdorrtes Feld, doch sie hatte kein einziges graues Haar.
Das Leben hat sie zermürbt. Wahrscheinlich ist sie noch keine dreißig . Keziah zögerte. »Es tut mir sehr leid. Bruce ist mein begabtester Schüler, und er war so nett zu mir.«
»Nun, ihn sehen Sie so schnell nicht wieder.« Hastig nahm Mrs. MacAlister ihren Kittel über dem schäbigen schwarzen Trauerkleid ab und warf einen neidischen Blick, den sie nicht verhehlen konnte, auf Sarannas Kleid. »Jetzt ist er das Familienoberhaupt. Er muss arbeiten, damit wir etwas zu essen haben.«
Keziahs Blick schweifte zu der Vogelscheuche.
Die Stimme der Witwe klang schrill. »Hüten Sie sich davor, mich zu verurteilen! Sie wissen nicht, was es heißt, Hunger zu leiden. Er macht nur die Arbeit, die er machen kann. Den Fußknöchel hat er sich verstaucht, als er den Sarg trug.«
»Meine Leute in Wales haben auch gehungert, Mrs. MacAlister, aber den Eintopf habe ich mitgebracht, weil Sie gerade Wichtigeres zu tun haben«, sagte Keziah leise.
Die Augen der Witwe funkelten. »Wir brauchen keine Almosen! Wir haben Ihr Mitleid nicht nötig.«
Keziah stellte mit zitternden Händen den Topf auf die Veranda. »Davon bin ich überzeugt.«
Dann machte sie hastig kehrt, während ihr die Tränen in den Augen brannten. Bruces Vater hatte gewollt, dass er eine gute Ausbildung bekam, aber als Sohn musste er nun zuallererst dafür sorgen, dass seine Mutter zu essen hatte. Zuerst war sie wütend, weil sie den Stolz der Witwe verletzt hatte, und dann erschrak sie, als sie sich ihres Versprechers bewusst wurde. Meine Leute in Wales . Dabei stammte Saranna aus Chester!
Joseph Bloom trat durch die Tür und blinzelte Keziah über den Rand seiner Brille hinweg verwundert an.
»Bruce MacAlister muss als menschliche Vogelscheuche auf den Feldern arbeiten«, platzte sie heraus. »Aber geben Sie nicht seiner Mutter die Schuld. Die arme Frau ist völlig verzweifelt, allerdings auch viel zu stolz, um Almosen anzunehmen. Kann man ihnen nicht irgendwie helfen, damit Bruce wieder in die Schule zurückkehren kann?«
Wegen der Tränen in ihren Augen verschwamm Joseph Bloom, als sähe sie ihn unter Wasser.
»Keine Sorge, Miss Plews. Ich habe mir bereits Gedanken gemacht. Es heißt, das beste Almosen sei Arbeit, dann brauchten die Menschen kein anderes.«
Keziah bedankte sich mit einem Nicken und eilte die Straße hinunter. Wütend schnäuzte sie sich die Nase und tadelte ihr Ungeborenes. »Das ist nur deine Schuld. Seit du in mir wächst, kann ich weder meine Tränen noch mein Lachen
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