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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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kontrollieren. Alles kommt mir entweder schrecklich traurig oder schrecklich komisch vor.«

    Der folgende Freitag war überraschend heiß. Keziah unterstrich die Wörter, die sie auf die Tafel geschrieben hatte. Die Hitze machte die Kinder ungewöhnlich unruhig, und die beiden kleinen Collins-Brüder stritten sich um das letzte Stückchen Kreide. Keziah legte ihnen wortlos ein neues Stück hin.
    »Nun gut, ihr klugen Kinder. Wer würde mir gerne vorlesen? Es muss nicht fehlerfrei sein. Ihr müsst euch nur trauen. So lernt man am besten.«
    Ihr Zeigestock erstarrte beim ersten Satz. Alle drei Mitglieder des Triumvirats standen auf der Türschwelle, angeführt von Mr. Hobson. Gilbert trug keinen Priesterkragen, denn er war bloß Laienprediger, die Hände jedoch hatte er wie zum Beten gefaltet. Er sah sich im Schulzimmer um, als wäre er auf der Suche nach Sündern, die er retten konnte. Keziah musste Pollys Warnung
beipflichten. Evans redete nicht viel – außer wenn er für seine Spitzeldienste entlohnt wurde oder von der Kanzel von Bolthole Valley aus Hölle, Feuer und Verdammnis predigte.
    Joseph Bloom zwinkerte Keziah zu und schob Big Bruce MacAlister ins Klassenzimmer.
    Ausstaffiert mit der Jacke seines verstorbenen Vaters setzte sich der Junge mit einem verlegenen Grinsen wieder auf seinen alten Platz.
    Zum Dank schenkte Keziah Joseph Bloom ein besonderes Lächeln. Sie wusste, dass er einen Strafgefangenen, der ihm zugewiesen worden war, auf die MacAlister-Farm geschickt hatte, und dass nun jede Woche Körbe voller schmutziger Wäsche aus dem Bloom-Haushalt diskret zu Mrs. MacAlister geschafft wurden, um ihr ein sicheres Einkommen zu garantieren.
    George Hobson warf einen Blick auf die Tafel. »A wie Australien, B wie Bandikut, C wie Chamäleon? Wie unorthodox. Zu meiner Zeit hieß es noch A wie Apfel, B wie Birne und C wie Caesar.«
    Joseph Bloom kam Keziah zu Hilfe. »Ja, George, aber hier ist alles anders.«
    »Mein Sohn erzählt mir, es gäbe keine Schulregeln«, wandte Gilbert Evans ein. Ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen. »Wie bestrafen Sie Übeltäter, Schwänzer und Faulpelze?«
    »Angst ist kein guter Lehrmeister, Mr. Evans«, entgegnete Keziah. »Kinder, die gern in die Schule kommen, lernen schneller, verstehen Sie?«
    Joseph Bloom war fest entschlossen, das letzte Wort zu behalten.
    »Allerdings. Nun, meine Herren, Miss Plews hat die Anzahl ihrer Schüler bereits verdoppelt. Und gibt ihr der Erfolg nicht recht? Stören wir sie nicht länger, damit sie mit ihrer vorzüglichen Arbeit fortfahren kann!« Ohne auf eine Antwort zu warten, drängte er die beiden anderen wieder aus dem Klassenzimmer.

    Es war an einem glühend heißen Dezembernachmittag. Der kleine Bach hinter ihrem Zelt hatte sich als doppelter Segen entpuppt.
Er gab Keziah die Möglichkeit, ihre traditionellen Roma-Rituale zu praktizieren, die schmutzige Wäsche in eine obere und untere Hälfte zu trennen und entweder stromaufwärts oder stromabwärts zu waschen. Der Bach sorgte außerdem dafür, dass sie immer frisches Regenwasser hatte. Gottes kostbares Blut.
    Während sie am Ufer die Wäsche wusch, sang sie ein Liebeslied der Roma, das ihr Vater immer auf seiner Geige gespielt hatte. Die leidenschaftlichen Worte erinnerten sie daran, wie sehr sich die Sträflinge eine Frau wünschten. Manche hatten unverhohlen auf ihren üppigen Körper gestarrt. Wenn sie nur ihr Geheimnis wüssten.
    Besorgt beobachtete sie, wie in der Ferne ein Mann von einem schwarzen Pferd sprang und Gilbert Evans’ Gehöft betrat, das etwa hundert Meter vom Bach entfernt am Hang eines Hügels lag. Dieser Mann führt nichts Gutes im Schild. Wie Großmutter zu sagen pflegte: Sauberes Wasser stammt nie aus einer schmutzigen Quelle.
    Nachdem sie die frischgewaschenen Sachen zum Trocknen auf einen Busch gelegt hatte, hob sie mit einer Hand den Rock an und watete bis zu den Knien ins Wasser. Es war niemand in Sicht, aber vorsichtig, wie sie war, hatte sie eine Pferdepeitsche griffbereit gelegt. Plötzlich richtete sie sich auf und spitzte die Ohren wie ein Tier, das gejagt wird.
    Einige Meter entfernt auf der anderen Seite des seichten Bachs kauerte ein Mann und beobachtete sie. Ein Fremder. Schwarzes Haar, schwarzer Bart und ein kräftiger Körper. Als er spielerisch die Finger krümmte wie Klauen und so tat, als wollte er sich auf sie stürzen, erschauerte sie. Sie war mutterseelenallein.
    Ihr Jäger war nun so nah herangekommen, dass sie seine Pupillen

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