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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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und Birnen hinter ihrem Pult. »Was für ein großzügiges Geschenk! Wäre einer von euch Jungs so nett, sie in der Klasse zu verteilen?«
    Sie strahlte den hartgesottenen Harry Stubbs an, und schon war er dabei, die Früchte auszugeben.
    »Wie ihr sehen könnt, ist mein Arm noch nicht verheilt, also kann ich noch nicht an die Tafel schreiben.«

    Big Bruce sprang auf. »Das kann ich für Sie machen, Miss!«
    Keziah hatte befürchtet, dass sich jemand freiwillig melden würde. »Eine nette Geste, Bruce, auf die ich gern zurückkommen werde. Aber zuerst möchte ich euch eine Geschichte erzählen.«
    Sie kauten ihre Früchte und betrachteten sie hingerissen.
    »Ich kenne zwar den Anfang, aber ich brauche eure Hilfe, um sie zu Ende erzählen zu können. Darf ich mir für die Personen darin eure Namen ausleihen?«
    Alle Kinder nickten eifrig.
    Durch die glaslosen Fenster konnte Keziah kleine Schatten zwischen den Bäumen erkennen, scheu wie wilde Tiere. Sie ahnte, dass noch mehr Kinder den gefürchteten Drachen beobachteten, also tat sie so, als bemerkte sie sie nicht, bis sie sich von selbst bemerkbar machten. Dann setzte sie sich mit ihrer Klasse draußen auf den Rasen, um ihnen eine Geschichte zu erzählen.
    Am Mittag brachte Polly frischgebackenes Brot und einen großen, runden Käse. Wahrscheinlich wusste sie, dass keins der Kinder etwas zu essen mit in die Schule gebracht hatte. Keziah folgerte daraus, dass einige Farmer hart zu kämpfen hatten, um in dieser Dürre zu überleben.
    Ihre Roma-Geschichte war eine verkappte Fabel über die Liebe zu Tieren. Sie verzauberte ihre Zuhörer, indem sie jedem Charakter eine unterschiedliche Stimme gab. Dann brach sie die Geschichte an einem besonders spannenden Punkt ab und versprach, sie am nächsten Tag weiterzuerzählen. Im Klassenzimmer. Zwei besonders mutige »Schatten« hatten sich näher herangeschlichen, um zuzuhören. Morgen wäre ihre Klasse voll, das wusste sie.

    Die Gerüchteküche brodelte und zog über Nacht Schüler aus weiteren benachbarten Farmen an. Ganze Familien ritten auf einem einzigen ungesattelten Pony zur Schule, wobei sich das kleinste Kind am Schweif festklammern musste. Manche brachten die wöchentlichen drei Pence mit, die Keziahs Lohn aufstockten.
Andere kamen mit leeren Händen, aber stets erwarteten sie auf der Veranda der Schule Kisten mit Eiern, Obst und Gemüse. Statt Geld bekam sie die Erzeugnisse der Farmer. Und sie sorgte dafür, dass sich kein Kind schämen musste.
    Keziah mischte ihren Roma-Geschichten australische Elemente bei, zum Beispiel lokale Buschräuber. Die Kinder kannten alle ihre Namen und Spitznamen, denn für sie waren die meisten Helden. Die Frage, die ihr am meisten am Herzen lag, versuchte sie so beiläufig wie möglich klingen zu lassen.
    »Habt ihr schon mal von einem Buschräuber gehört, der Zigeuner ist?«
    Mehrere Stimmen fragten im Einklang: »Was ist ein Zigeuner, Miss?«
    Keziah seufzte. »Vergesst es. Es sind sehr interessante Menschen, aber davon erzähle ich euch ein anderes Mal.« Dann fuhr sie mit ihrer Geschichte fort. »Und was hat Harry, der Wombat, dann wohl gemacht? Was glaubt ihr?«
    Den ersten Ärger bekam Keziah wegen ihrer provisorischen Unterkunft. Griggs ärgerte sich darüber, dass Hobson ihn aus seiner Hütte vertrieben hatte. Obwohl Keziah den Aufseher von Anfang an nicht mochte, wollte sie sich ihn nicht zum Feind machen. Sie erklärte George Hobson, dass sie lieber in einem Leinenzelt direkt neben der noch unfertigen Lehrerhütte schlafen würde, um die letzten Arbeiten daran besser überwachen zu können.
    In der kleinen Schule zu unterrichten, machte ihr großen Spaß, obwohl sie sich vor dem bevorstehenden offiziellen Besuch des Triumvirats fürchtete. Es war kein Datum festgesetzt worden. Die drei konnten jeden Augenblick unangemeldet auftauchen.
    Nachts, wenn ihr Arm auf wundersame Weise geheilt war, übte Keziah fleißig das Schreiben auf einer Schiefertafel, denn ihr war klar, dass sie nur wenig Zeit hatte, um Big Bruces Schreibkünste zu überbieten. Er war eine große Hilfe und stets bereit, den ganz Kleinen das Alphabet beizubringen.
    Doch jetzt hatte er eine ganze Woche gefehlt. Heute hatte
sie den Grund erfahren. Der alte MacAlister war gestorben. Big Bruce hatte keine Zeit mehr für die Schule.
    Beides machte Keziah traurig: dass der Junge seinen Vater verloren hatte und dass damit die Ausbildung ihres begabtesten Schülers beendet war. Morgen nach der Schule würde sie die

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