Die Blüte des Eukalyptus
die Zügel eines weiteren Pferdes. Als Daniel erkannte, was auf dem Packpferd lag, sprang er auf. Wills blutüberströmter Körper mit baumelnden Armen und Beinen. Der Aufseher zeigte auf den Körper, als wäre er eine Trophäe.
»Dachte ich mir, dass ich dich hier finde. Schade, dass du die Vorstellung des jungen Martens verpasst hast. Ich bring dir das, was von ihm übrig ist.« Er strich sich nachdenklich über den Bart. »Viel ist es nicht, was?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, stieß er Wills Körper von dem Tier herunter, sodass er Daniel vor die Füße fiel. Dann sagte er in vertraulichem Ton: »Wie schlau von dir, dass du neulich Nacht den Einäugigen hast sitzen lassen und nach Gideon Park zurückgekehrt bist, Daniel Browne.«
Will stöhnte leise, aber Daniel konnte sich nicht rühren; der belustigte Ausdruck in den Augen des Aufsehers lähmte ihn. Er spürte, wie er kreidebleich wurde. Mein Gott, er hat es die ganze Zeit gewusst. Warum hat er mich nicht auspeitschen lassen?
Der Aufseher ritt davon, und Daniel schleppte Wills Körper in die Hütte eines Mannes, der zu alt zum Arbeiten war, damit dieser sich um ihn kümmerte . Als er wieder zu seinem Arbeitsplatz zurückrannte, fühlte er sich wie ein menschliches Zugpferd. Um jeden Preis musste er den Kontakt zu Will meiden. Der Junge flößte ihm ebenso viel Verachtung wie Bewunderung ein. Bis heute war Daniel über seine eigene Feigheit beschämt, als er Saranna mit der Waffe bedroht und Will sie so ritterlich verteidigt hatte.
Obwohl er jenen Augenblick unzählige Male erneut durchlebt hatte, wusste er immer noch nicht, wie er die Panik in Sarannas Augen interpretieren sollte. Hatte sie wirklich nur Angst gehabt, ihre alberne Brosche zu verlieren? Oder hatte sie ihn erkannt? War sie deshalb nicht gekommen, um ihn zu heiraten und ihm damit die Freiheit zu schenken?
Als Daniel am nächsten Tag das Feld für die bevorstehende Aussaat umgrub, sah er gereizt, wie Will auf ihn zukam. Obwohl er leichenblass und zu seinem üblichen schwungvollen Gang nicht im Stande war, gab er sich erstaunlich großspurig.
»Hey, Kumpel, man hat mich gebeten, dir zur Hand zu gehen. «
Daniel wappnete sich gegen jeglichen Anflug von Mitleid.
»Was hab ich wieder mal für ein Glück! Stapel die Steine da drüben zu einer Mauer. Und tu mir einen Gefallen, behalte deine Fluchtpläne für dich. Du wirst noch in Norfolk Island enden. Und ich will überleben.«
Will zog die Schultern hoch und zuckte dabei vor Schmerz zusammen. »Wie du willst. Bleib bei deiner Kunst und werde glücklich. Ich dagegen werde eines Tages berühmt. Die Herren von der Presse haben mir bereits einen Spitznamen gegeben – Schwadroneur.«
»Das passt. Du kannst deinen Mund ja keine zwei Minuten halten.« Daniel verbarg seine Überraschung über Wills Offenbarung. Er hatte gehört, dass es in den Zeitungen nur so wimmelte von Geschichten über einen unbekannten, edlen Buschräuber, den sie Schwadroneur getauft hatten, doch Daniel hätte nie gedacht, dass es Will war.
Er warf ihm einen eisigen Blick zu. »Mach dich endlich an die Arbeit. Mir ist es scheißegal, ob dir der Rücken wehtut. Entweder sind wir bei Sonnenuntergang fertig oder es setzt was!«
Wie üblich hatte Will das letzte Wort. Es waren keine fünf Minuten vergangen, da machte er bereits eine Pause.
»Hast du gehört, was mit der Kutsche passiert ist, die wir überfallen haben? Die Pferde sind durchgegangen, und die Kutsche ist über den Blackman’s Leap gestürzt. Eine der jungen Frauen ist umgekommen.«
Daniel lief es trotz der Hitze eiskalt über den Rücken. »Wie hieß sie?«
Will wunderte sich über die Dringlichkeit der Frage. »Ich weiß nicht. Es heißt, sie wäre Zigeunerin gewesen. Ist ja auch egal. Es ist immer schrecklich, wenn eine junge Frau sterben muss. Den Kutscher hat es auch schwer erwischt. Er liegt noch im Krankenhaus. Und die andere junge Frau arbeitet jetzt irgendwo als Lehrerin. «
Daniel wandte sich ab, um seine Erleichterung zu verbergen. Einen Moment lang hatte er das Gefühl gehabt, man hätte ihm
eine Lebensader durchtrennt. Jetzt hatte er den Beweis, dass Saranna noch lebte. Und das konnte für ihn nur eines heißen. Die Hoffnung, freizukommen.
Trotz seiner Erschöpfung und seines Hungers hatte Daniel in den letzten Wochen unermüdlich geschuftet, um nicht ausgepeitscht zu werden, denn er wusste, dass der Teufel in Person auf dem Kriegspfad war. Will Martens war nur wenige Stunden, ehe er ein
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