Die Blueten der Freiheit
bereitet.«
Kapitel 31
Denis Boulanger
Auf der Straße nach Signy-sur-Vaux, Frankreich
D ie Dämmerung stieg langsam auf, als wäre es der Sonne noch zu früh, ihr Bett zu verlassen. Wir waren jedoch bereits wieder unterwegs. Ich hatte nicht einschlafen können, und Alexandre behauptete, dass mein Umherwandern ihn ebenfalls wach gehalten hätte. Wir waren bereits recht weit gekommen, als er so plötzlich stehen blieb, dass der Ochse seine Schulter rammte. »Habt Ihr das gehört?«
Ich hörte nichts außer meinen eigenen Herzschlag und den angestrengten Atem des Tieres, das den Karren zog.
»Ganz in der Nähe gibt es einen Bach.«
Das überraschte mich nicht. Die Ardennen mochten eine gottverlassene Gegend sein, in die sich kaum ein Mensch verirrte, doch sie waren mit einer Vielzahl von Wasserläufen gesegnet.
Alexandre wandte den Kopf zuerst in die eine und schließlich in die andere Richtung. »Dort drüben.« Er zeigte in Richtung des Waldes, wo sich auch sein Hund versteckte. »Ich gehe nachsehen. Ich bin gleich wieder hier.«
Für einen Mann, der seinen Sarg nicht einmal für ein paar Stunden alleine ließ, um etwas Schlaf zu bekommen, war es seltsam, dass er ihn nun unbewacht auf der Straße stehen ließ, und sei es auch nur für ein paar Minuten. Ich zögerte. Sollte ich hierbleiben oder ihm folgen?
Ich beschloss, ihm zu folgen. Ich wollte genauso wenig alleine zurückbleiben wie dieser räudige Hund. Als ich den Bach erreichte, hatte sich Alexandre bereits seiner Kleider entledigt und stand mitten im Wasser. Er sah aus wie ein Vogel, so schnell bewegte er sich, wandte sich hin und her und spritzte sich Wasser auf den ganzen Körper, bevor er begann, ihn mit einer Bürste abzuschrubben.
»Warum tut Ihr das?«
»Was?«
»Euch baden.«
»Ihr solltet es auch versuchen.«
Ich warf einen Blick auf meine Hände. Unter meinen Fingernägeln hatte sich Schmutz angesammelt, und meine Ärmel waren voller Schmiere. Aber was machte das schon? »Ich bin sauber genug.«
»Könntet Ihr mir den da geben?«
Er wollte seinen Mantel? Der war doch voller Stroh und schmutzig von der Reise. »Ihr bleibt sauberer, wenn Ihr Euch anzieht, ohne Euch abzutrocknen.«
»Das ist eine alte Gewohnheit. Außerdem ist es nicht der Schmutz, der mir Sorgen bereitet.«
Nicht? Sondern? Ich verstand es nicht. Nicht im Geringsten. Doch dieser Mann hatte mir das Leben gerettet. Das mindeste, was ich für ihn tun konnte, war, ihm seinen Mantel zu reichen.
Nachdem wir am nächsten Tag Jolimetz hinter uns gelassen hatten, wurde die Straße immer schmaler und führte schließlich über eine Passhöhe. Als wir oben auf dem Hügel angekommen waren, blieb der Ochse stehen und weigerte sich, weiterzugehen. Alexandre redete ihm gut zu. Zog an seinem Geschirr. Schlug ihm auf die Schenkel.
Der Ochse hob seinen Schwanz und mistete. Dann stampfte er mit den Füßen auf.
Er wollte nicht weitergehen, und ich konnte ihm keinen Vorwurf machen. Die Straße war steil, und gleich nachdem sie vom Hügel bergab verlief, sah man eine hängende Kurve.
Von dort oben konnte ich hinab ins Tal sehen. Hier und da gab es Anzeichen, dass dort unten auch Dörfer lagen: Man sah einige Lichtungen zwischen den Bäumen. Auch auf dem Hügel, auf dem wir standen, gab es eine kahle Stelle. Ich ging hinüber und blickte hinunter. Von hier aus waren einige Steine ins Tal gerollt.
Ich hörte, wie Alexandre auf seinen Ochsen einredete.
Es wurde Zeit, weiterzugehen. Ich wollte nicht noch eine Nacht auf der Straße verbringen. Ich lud meine Flinte, hob sie an meine Schulter und zielte in den wolkenverhangenen Himmel.
Als der Hund meine Flinte sah, begann er zu bellen, und der Ochse machten einen Sprung vorwärts, als hätte ich ihm den Schwanz abgeschossen. Die Räder rutschten zur Seite, und der Karren fuhr auf das Hinterteil des Tieres auf. Der Ochse mochte vielleicht hundert Jahre alt gewesen sein, dennoch nahm er die Hufe in die Hand und raste die Straße hinunter. Nachdem der vordere Teil des Karrens gegen das Hinterteil des Tieres schlug und die Hufe des Ochsen ihn daher bei jedem Satz trafen, war es wohl kein Wunder, dass sich ein Rad löste.
Sobald das Rad fort war, rutschte das Zuggeschirr vom Rücken des Ochsen, und der Karren rollte einige Augenblicke lang alleine den Hang hinunter. Doch schon bald verfing sich der herrenlose Karren im Schlamm und drehte sich um die eigene Achse.
Der Sarg wurde durch die plötzliche Bewegung herausgeschleudert und flog
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