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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Anthony
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durch die Luft wie ein Vogel. Der Flug fand jedoch ein abruptes Ende, als der Sarg gegen einen Stein donnerte. Er überschlug sich in der Luft, bevor er außer Sichtweite mit einem Krachen zum Liegen kam.
    Man hörte Holz splittern.
    »Merde.« Alexandre war weiß geworden und hatte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
    Ich hätte ein aussagekräftigeres, genaueres Wort verwendet. Der Karren war auseinandergebrochen, der Sarg den Hügel hinuntergerutscht, und ich hatte keine Ahnung, wie wir den Leichnam nun bis nach Signy-sur-Vaux schaffen sollten.
    Der Ochse stand am Fuße des Hügels in der Nähe der Kurve und sah zu uns hinauf. Dieses faule Tier. Ich ließ Alexandre stehen und lief über die Felsen auf den Sarg zu. Meine Stiefel rutschten auf den Steinen aus.
    Ich schlitterte gerade den Hügel hinunter, als er mir endlich folgte, und schließlich kam er sogar als Erster bei dem Sarg an.
    Doch sobald er ihn erreicht hatte, blieb er abrupt stehen. Als ich bei ihm ankam, sah ich, warum er sich nicht bewegte. Der Deckel war aufgesprungen und der Körper herausgefallen. Der Gestank war furchtbar. Vögel hatten sich auf dem Leichnam niedergelassen und bearbeiteten bereits seine Kehle. Einer der Vögel hatte begonnen, dem Mann ein Päckchen aus dem Mantel zu ziehen.
    »Vas-y! Allez – ouste!« Ich lief auf die Vögel zu und ruderte mit den Armen.
    Sie erhoben sich mit trägen Flügelschlägen und ließen dabei das Päckchen fallen.
    Ich bückte mich und hob es auf. Die Schnur schien sich gelöst zu haben. Ich hielt das Päckchen hoch, damit Alexandre es sehen konnte.
    »Legt es nieder.«
    Das wollte ich, aber das, was sich im Inneren befand, rutschte heraus. Ich ließ das Päckchen fallen und fing den Inhalt mit der anderen Hand auf. Es war … ein Stück … Spitze. Und sie sah sehr exquisit aus. Ich breitete meine Hände so weit wie möglich aus und hielt sie in seine Richtung. Ich wollte sie nicht beschmutzen.
    »Das ist … Spitze.«
    Er sagte nichts, nahm sie mir ab, hob das Päckchen hoch und schob sie wieder hinein.
    »Was will ein toter Mann mit einem Päckchen voller Spitze?«
    Er stand bloß da. Er hatte den Blick nicht auf seinen toten Vetter gerichtet, sondern auf mich. Dann warf er das Päckchen zurück in den Sarg. Er bedeutete mir, die Füße des Leichnams zu nehmen, während er selbst nach den Armen griff. Nachdem wir den Körper wieder in den Sarg gelegt hatten, hob er eines der Bretter hoch, mit denen der Sarg verschlossen gewesen war.
    Ich griff nach dem anderen.
    Spitze.
    Was war das Besondere daran? Was machte Spitze so wichtig, dass Menschen sie schmuggelten? Und abgesehen davon: Was machte sie so wichtig, dass der König selbst ihre Einfuhr verboten hatte? Es schien mir eine Menge Ärger für ein derart immaterielles Etwas zu sein. Aber was viel wichtiger war: Was hatte es zu bedeuten, dass ich die Spitze gefunden hatte? Und es war eine ganz schön große Bahn. Viel mehr, als ein toter Mann benötigte.
    Ich schlug die Nägel mit dem Kolben meiner Flinte wieder ein, dann hoben wir den Sarg hoch und trugen ihn den Hügel hinauf. Wir ließen ihn auf der Straße stehen, während Alexandre hinunterstieg, um den Ochsen zu holen, und ich die Einzelteile des Karrens zusammensammelte.
    Einige der Bodenbretter waren gebrochen, aber wenn wir den Sarg ganz an den Rand stellten und der Ochse sich nicht wieder so plötzlich bewegte, dann würden wir wohl ohne weitere Schwierigkeiten bis nach Signy kommen.
    Alexandre schob die Bodenbretter zurecht und spannte den Ochsen wieder vor den Karren.
    Ich wollte bloß eine Sache wissen. »Warum habt Ihr das getan?«
    Er schlug dem Ochsen auf die Schulter, um ihn anzutreiben. Dann sah er mich an. Er wirkte nicht so überrascht, wie ich es erwartet hatte. »Was?«
    »Warum habt Ihr die Spitze geschmuggelt?«
    »Das habe ich Euch bereits gesagt. Es war eine Frage der Ehre.«
    »Aber – es ist unehrenhaft. Und nun muss ich Euch verhaften lassen, sobald wir das nächste Dorf erreicht haben.« Nun würde ich dem Leutnant und allen anderen beweisen können, dass ich mir meine Uniform verdient hatte.
    Der Ochse zog den Karren ohne uns den Hügel hinunter. Alexandre lief einige Schritte, um zu ihm aufzuschließen. »Das müsst Ihr nicht.«
    Das musste ich nicht? »Aber das ist meine Aufgabe.« Zumindest war sie das gewesen.
    »Aber wer wird schon den Unterschied bemerken? Ob Ihr es getan habt oder nicht?«
    Ich begann zu laufen, um die beiden einzuholen.

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