Die Blueten der Freiheit
äußerst selten. Obwohl er stets freundlich und gütig und zuvorkommend gewesen war, strahlte er etwas aus, das jeglichen Kontakt untergrub.
Papa legte eine Hand auf den Arm des Grafen. »Ich habe nicht so viel Geld. Bitte. Ihr müsst doch verstehen. Selbst wenn ich all meinen Besitz verkaufen würde, könnte ich Euch dennoch nicht auszahlen.« Er wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn, die plötzlich dort aufgetaucht waren.
Ich schlug mit den Fäusten auf Alexandre ein, doch er ließ mich nicht los.
»Ja, nun, es ist aber auch zu schade, dass gerade Ihr in Chalais’ Verschwörung gegen den Ministerpräsidenten des Königs verwickelt wart.«
Papa schwankte, als hätte sich der Boden plötzlich zur Seite geneigt.
»Ich kenne die Gräfin von Chevreuse. Sie war die Geliebte des Marquis von Chalais. Wenn Ihr Euch weiterhin an Verschwörungen beteiligen wollt, dann darf ich vorschlagen, dass Ihr Eure Vertrauten in Zukunft sorgfältiger auswählt. Denn wenn sie selbst, die immerhin an den Plänen beteiligt war, schon keinen Wert darauf legt, sie geheim zu halten … Hattet Ihr wirklich geglaubt, dass der König so einfach dabei zusehen würde? Und dass Richelieu sich keine Gedanken darüber machen würde?«
Papa zitterte. »Ich dachte, dass niemand … Ich hatte gehofft …«
»Sicher wäre es äußerst fatal für Euch, wenn der König auf Euch aufmerksam würde. Die Gräfin ist außer Landes geflohen … Chalais ist tot … Es gibt also nur noch Euch, der für ihre Sünden geradestehen kann. Und täuscht Euch nur nicht: Richelieu ist den Verrätern weiterhin auf den Fersen. Deshalb versuche ich immer, mich aus derartigen Verschwörungen herauszuhalten – sie stehen auf äußerst wackeligen Beinen.«
Was war bloß eine Verschwörung? Und warum sollte so etwas den König höchstpersönlich kümmern? Bisher hatte ich es stets geschafft, meine Neugierde zu befriedigen, und auch dieses Mal dauerte es nicht lange, bis ich eine Antwort auf all diese Fragen fand. Und sogar weit weniger lange, bis genau diese Antworten unser aller Leben veränderten.
Kapitel 6
Der Graf von Montreau
Château Eronville
Provinz Orléanais, Frankreich
A lles, was ich wollte, war Spitze: Sie war ein perfektes, unwiderstehliches Bestechungsmittel. Die Tatsache, dass ich sie überhaupt brauchte, war beschämend und auf die Launen eines tyrannischen alten Mannes zurückzuführen, dem es über die Maßen missfiel, sich als mein Vater bezeichnen zu müssen.
Ich schloss die Augen und versuchte, den Kopfschmerz zurückzudrängen, der sich von meiner Nasenwurzel aus auszubreiten begann.
Hätte er uns bloß nicht alle hierher aufs Land gerufen. Hätten wir uns am königlichen Hof befunden, hätte ich wohl kaum Gelegenheit gehabt, ihn noch mehr zu verärgern. Doch hier in diesen engen Gemächern wurde er Tag für Tag mit der Tatsache konfrontiert, dass ich sein Sohn war, und wie konnte ich da von ihm erwarten, dass er mir mit etwas anderem als Verachtung entgegentrat? Doch heute Morgen, als er in meine Kammer gestürmt und meine gesamte Zukunft in die Waagschale geworfen hatte, hatte er sich selbst übertroffen.
Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sein Erscheinen anzukündigen. Stattdessen hatte er die Fensterläden aufgerissen, so dass der ganze Raum von einem furchtbar hellen Licht durchflutet wurde. Eine bedauernswerte Anschuldigung hatte zur nächsten geführt, und bald schon taten wir, was wir immer taten. Er brüllte, und ich tat so, als würde mich das alles nichts angehen, und sah ihn gelangweilt an.
»Mein Sohn?« Der Hass in der Stimme meines Vaters entsprach seinem Gesichtsausdruck. Es bedeutete nichts Gutes, wenn er in diesem Tonfall mit mir sprach. »Mein Sohn?! «
Aber es war noch schlimmer, wenn er die Worte auf diese Weise betonte, so als wäre ich selbst in seinem hohen Alter noch eine herbe Enttäuschung für ihn.
»Ich habe einen meiner Titel an dich weitergegeben, aber ich will verdammt sein, dir noch einen weiteren zu überlassen! Ich kann nichts gegen die Tatsache unternehmen, dass du zur Welt gekommen bist, aber ich werde nicht zusehen, wie du meinen Namen in den Schmutz ziehst.«
Ich verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Es gibt ja noch andere Möglichkeiten …« Mir fielen einige ein, obwohl nur eine tatsächlich reizvoll zu sein schien.
»Wie bitte? Was hast du gesagt?«
Ich hatte wohl einen Fehler gemacht. Er war noch nicht alt genug, um vollkommen taub zu sein. Ich hob die Schultern.
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