Die Blueten der Freiheit
brauchte. Und vor allem versuchte ich, meine Sehnsüchte im Keim zu ersticken. Es war mein impulsives Verhalten gewesen, das mich verraten hatte. Alle dachten, ich sei liebenswürdig und bescheiden und unermesslich sanft. Ich hoffte, dass ich als Einzige die Wahrheit kannte.
Alexandres Augen verdunkelten sich, als er mich ansah. »Du solltest Kisten voller Kleider besitzen. Und Schuhe im Überfluss.«
Ich erinnerte mich an die Worte, die er im Dämmerlicht dort oben auf dem Hügel zu mir gesagt hatte, und meine Wangen wurden unerwartet rot. Vielleicht sollte ich das … aber es war meine eigene Schuld, dass es nicht so gekommen war.
Ich überlegte, ob ich meine nackten Füße im Stroh vergraben sollte, doch von dort, wo er stand, konnte er sie ohnehin nicht sehen. Und was spielte es schon für eine Rolle? Ich sparte meine Schuhe für besondere Anlässe auf. Und davon gab es nur noch wenige.
»Komm heraus.«
»Damit der Graf sich daran erfreuen kann, was er uns angetan hat?«
»Nein. Weil du Tausende Male mehr wert bist als er. Und weil die Tatsache, dass er hier ist, nicht bedeuten darf, dass wir dich nicht mehr zu Gesicht bekommen. Wie sollen wir sonst seine Anwesenheit ertragen?«
Ein perfekter Ehrenmann. Das war Alexandre schon immer gewesen. Er roch stets sauber. Wie der Sonnenschein oder der Wind. Und seine Schmeicheleien klangen immer, als seien sie nichts als die unantastbare Wahrheit. Ich erlaubte mir ein Lächeln und ließ einen Augenblick mein altes Ich wieder hervorkommen. »Wenn ich herauskomme, dann nur, weil du es bist, der mich darum bittet.«
»Meine Bitte ist vollkommen eigennützig, denn ich bin es, der am meisten davon profitiert.«
Ich trat aus meinem Versteck hervor, wischte den Staub und die Spinnweben von meinem Kleid, schüttelte das Stroh von meinen Füßen ab und schob die Locken zurück, die unter dem Haarband, das sie zurückhielt, hervorgequollen waren. Ich trat in den einzelnen Lichtstrahl, und einen kurzen Augenblick lang schien die Welt zu leuchten. Dann tauchte ich wieder in die Schatten ein.
Ich warf Alexandre einen Blick zu, als ich mich an ihm vorbeidrängte.
Als ich noch ein kleines Kind gewesen war, hatte ich ihn stets für seine Aufmerksamkeiten geküsst, obwohl er sich immer vor mir zurückgezogen hatte. Es hatte mir eine außerordentliche Freude bereitet, gerade jene Dinge zu tun, die ich nicht hätte tun sollen.
Welch impulsive, verzogene und verwöhnte Göre ich doch gewesen war!
Obwohl ich mir seit seinem Geständnis Tausende Male vorgestellt hatte, ihn zu küssen, hielt ich mich nun von ihm fern. Das war ein Impuls, den ich unter Kontrolle halten würde. Alexandre hatte noch immer die Möglichkeit, reich zu heiraten. Wenn er sich bemühte, fand er vielleicht weit fort von uns eine Erbin, die nichts von Souboscq und seinem schwindenden Vermögen wusste. Wenn er uns schon nicht zu retten vermochte, dann konnte er vielleicht zumindest sich selbst retten. Er streckte die Hand aus und strich mir mit den Fingern über die Wange.
Ich presste meinen Rücken gegen den hölzernen Türrahmen und drückte mich an ihm vorbei. Ich legte die Hand auf meine Wange, während ich der Liste der Dinge, die ich mir nie gestatten würde zu begehren, noch einen weiteren Punkt hinzufügte.
Ich liebte das Haus, in dem ich geboren wurde. Ich hatte es immer geliebt. Die mit roten Ziegelsteinen gedeckten Dächer und die runden Türme, die im Herzen der Gascogne verborgen lagen. Obwohl wir stets genug gehabt hatten, lachten wohl jene, die sich im inneren Zirkel des Königs bewegten, über die Dinge, die wir als Luxus bezeichneten. Das Château war zwar nicht schick, aber sehr familiär. Angefangen von den robusten, dunklen Möbeln aus Walnussholz bis hin zu den Wandteppichen, die Szenen aus dem bäuerlichen Leben zeigten. Von den geschwärzten Kaminsimsen bis hin zu den abgelaufenen Fußböden aus Stein. Doch die Anwesenheit des Grafen schien die Atmosphäre zerstört zu haben. Alle Türen waren geschlossen, die Flure lagen im Dämmerlicht. Das Haus, das einst so groß und vertraut gewirkt hatte, schien sich in sich selbst zurückgezogen zu haben.
Als die Zeit für das Abendmahl gekommen war, ging ich in die große Halle hinunter, wo sich der Graf gerade mit meinem Vater unterhielt.
»Wir genießen unseren Aufenthalt hier und freuen uns stets auf Eure großzügige Gastfreundschaft.« Der Begleiter des Grafen, der neben ihm stand, kicherte.
Das Gesicht meines Vaters wurde rot, und
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