Die Blueten der Freiheit
dem Untergang geweihten Verschwörung gegen Richelieu mitzuwirken. Wir sollten ehrlich zueinander sein, denn es scheint, als wären wir noch einige Zeit länger aneinander gebunden.«
Schweißtropfen erschienen auf der Stirn meines Vaters. »Ich habe keine Spitze.«
»Ja, das weiß ich. Darum bin ich ja überhaupt erst in diese missliche Lage geraten. Ich nehme an, Ihr müsst wohl jemanden nach Flandern schicken, um welche zu besorgen.«
»Nach Flandern? Aber … das ist doch verboten! Der König selbst hat den Erwerb von Spitze verboten.«
»Natürlich. Aber Ihr seid doch ein intelligenter Mann. Ich bin sicher, Euch wird etwas einfallen.«
Der Begleiter des Grafen grinste, während er dem Gespräch lauschte.
»Im Besitz von Spitze erwischt zu werden bedeutet eine Strafe von sechstausend Livre. Und die Verbannung ins Exil. Und den Verlust sämtlicher Besitztümer.«
Der Graf hob einen Finger. »Aber nur, wenn Ihr erwischt werdet.«
»Aber … ich kann nicht … ich weiß nicht … ich weiß nicht einmal, wie viel so etwas kosten würde …« Vaters Gesicht war aschfahl geworden, während er sprach. »Und ich habe Euch bereits so viel bezahlt …«
Der Graf lächelte, als hätte uns seine Erpressung nicht bereits beinahe alles gekostet, was wir besessen hatten. »Ich merke, dass Euch dieser einfache und vernünftige Vorschlag wohl überrascht hat. Vielleicht hätte ich meine Vorstellungen behutsamer zum Ausdruck bringen sollen.« Er rümpfte die Nase. »Ich bin überzeugt, dass Ihr morgen, wenn Ihr eine Nacht darüber geschlafen habt, die Sache … anders sehen und mir zustimmen werdet. Ich denke, Ihr habt keine andere Wahl.« Er tupfte sich mit einem Tuch die Lippen ab, nickte seinem Begleiter zu und erhob sich.
»Beaux rêves.«
Vater und Alexandre unterhielten sich bis spät in die Nacht. Ich entzündete eine der kostbaren Kerzen für sie. Und als sie niedergebrannt war und Funken sprühend in ihrem eigenen Wachs erlosch, entzündete ich eine weitere.
»Wir müssen uns verweigern.« Alexandre hatte nicht lange gebraucht, um zu diesem Entschluss zu gelangen. Dass er ihn jedoch so viele Stunden lang beibehielt, war bemerkenswert. Dass er darauf bestand, seine Meinung so oft zu wiederholen, weniger.
Vater seufzte und fuhr sich mit zitternder Hand durch sein schütter werdendes Haar. »Ich habe es dir doch schon erklärt: Wir können ihm seinen Wunsch nicht abschlagen.«
Alexandre erhob sich und lief vor dem Kamin auf und ab, wie er es bereits seit Stunden tat. »Wir müssen uns verweigern, denn wir dürfen seinen Wunsch einfach nicht anerkennen.« Mittlerweile hatte auch er seine Stimme erhoben.
»Wir müssen nachgeben. Du kennst doch Kardinal Richelieu! Er benimmt sich, als wäre er selbst der König. Er hat seine Spione überall, und wenn der Graf nur ein Wort verlauten lässt, dass ich an der Verschwörung beteiligt war, macht er mich im nächsten Augenblick einen Kopf kürzer. So wie er es beim Marquis von Chalais getan hat. Wenn er schon einen Marquis köpfen lässt, was denkst du, würde er mit mir machen? Mit einem Vicomte? Was würde dann noch für dich übrig bleiben? Und wer würde sich um Lisette kümmern?«
Ich zog mich weiter in meine Ecke zurück und drückte mich gegen die kalte Steinmauer, als er meinen Namen erwähnte und Alexandres Blick in meine Richtung schnellte. Es musste beide ungeheure Kraft kosten, mir meinen Fehler nicht auf den Kopf zuzusagen. Niemand anderes als ich trug Schuld daran, dass der Graf nun eine derartige Unmöglichkeit von ihnen verlangte.
Vater seufzte und sprach dann weiter. »Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Der Graf kann von mir verlangen, was immer er möchte, und ich habe keine andere Wahl, als es ihm zu geben.« Er schüttelte den Kopf, als Alexandre etwas darauf erwidern wollte. »Das ist die Wahrheit. Wenn wir unsere Besitztümer verkaufen, dann …«
»Nein!« Das Wort war über meine Lippen gekommen, bevor ich mich zurückhalten konnte. Sie durften unsere Besitztümer nicht verkaufen. Sie waren alles, was uns noch geblieben war. Solange Vater das Land noch gehörte, bestand Hoffnung. Mit den Besitztümern als mögliches Erbe war es Alexandre noch möglich zu heiraten. Das Wetter konnte umschlagen – im nächsten Herbst konnte die Ernte wieder besser ausfallen. Und wer wusste schon, wie lange der Graf noch leben würde? Wir alle konnten unsere Erlösung früher als gedacht finden. Doch ohne unsere Besitztümer hätten wir nichts
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