Die Blueten der Freiheit
Ich ließ ihn im Matsch liegen.
Als ich schließlich im Gasthof ankam, fand man dort nicht gerade Gefallen an meinem Auftreten. Die Wirtin verschränkte die Arme vor der Brust, als ich ins Gastzimmer stolperte. »Leute wie du haben hier nichts verloren.«
»Aber ich war doch schon einmal hier.« Meine Lippen waren geschwollen und die Wange aufgeschlitzt, weshalb mir das Sprechen einige Schwierigkeiten bereitete. Ich befeuchtete meine Lippen und versuchte es noch einmal. »Ich bin hier zu Gast. Ich bin gestern Abend angekommen. Lefort, Alexandre Lefort. Ich habe ein Zimmer im oberen Stockwerk bekommen.«
Die Wirtin kniff die Augen zusammen und starrte mich an. »Dirc!«, rief sie über ihre Schulter, ohne den Kopf zu drehen.
Ein Mann, der gerade Gäste an einem der Tische bediente, drehte sich zu ihr um.
»Erinnerst du dich an diesen Halunken?«
Er betrachtete mich von oben bis unten. »Nee.«
Sie schlug mit dem Zipfel ihrer Schürze nach mir, als wäre es ihr zuwider, mich zu berühren. »Verschwinde.«
»Aber ich bin … ich bin adeliger Abstammung. Ein Verwandter des Vicomte von Souboscq!«
Die beiden begannen, lauthals zu lachen. »Eines Vicomte! Es ist ein Wunder, dass du überhaupt weißt, wie man dieses Wort ausspricht. Verschwinde jetzt. Raus hier.«
»Aber ich …«
»Raus!«
Hätte ich meinen Dolch noch bei mir gehabt, hätte sie es nicht gewagt, mich derart zu verspotten. Doch wenn ich ihn vor ihr gezogen hätte, hätte sie mich sicher beschuldigt, ihn gestohlen zu haben. Als ich durch das Gastzimmer auf die Tür zutaumelte, sah ich mich selbst in einem Spiegel, der an der Wand hing. Mein Mantel war verrutscht. Ein Auge war blutunterlaufen, das andere beinahe zugeschwollen. Eine Schnittwunde zog sich über meine Wange, und in meinen Haaren klebte Dung.
Ich zog meinen Mantel zurecht, während ich aus dem Gasthof trat. Dann ging ich zu dem Brunnen im Innenhof und wusch den Mist aus meinen Haaren und das Blut und den Schlamm von meinen Händen und Armen. Ich bearbeitete sie mit den Fingernägeln, bis sich rote, knotige Beulen auf meiner Haut bildeten. Ich ignorierte sie.
Nachdem ich zumindest wieder sauber war, ging ich zu den Stallungen, um mein Pferd zu holen. Doch als ich zu ihm wollte, stellte sich mir der Stallbursche in den Weg.
»Leute wie du haben hier keinen Zutritt.«
»Aber dieses Pferd gehört mir.«
Er begann zu lachen »Es gehört dir? Als ob du ein Ehrenmann wärst. Du hast doch nicht einmal einen Hut auf dem Kopf!«
»Ich wurde von einer Bande Gauner überfallen.« Mein ganzer Körper schmerzte höllisch. War es denn nicht offensichtlich, dass man mir aufgelauert hatte?
»Von einer Bande Gauner! Vielleicht sollte ich das meiner Frau erzählen, wenn ich das nächste Mal auf dem Nachhauseweg in einer Kneipe vorbeischaue. Von einer Bande Gauner …«
»Ich nehme jetzt mein Pferd und verschwinde von hier, sobald Ihr mir den Weg freimacht.«
»Ich gehe dir aus dem Weg, sobald du für die Unterbringung bezahlt hast.«
Doch das konnte ich nicht. All das Geld, das ich bei mir gehabt hatte, war gestohlen worden, und die wenigen Dinge, die ich in meinem Zimmer zurückgelassen hatte, waren so gut wie verloren. Aber das musste er ja nicht erfahren. Wenn ich mich bloß wie der Ehrenmann benahm, zu dem ich geworden war, dann würde dieser Mann sicher tun, was ich von ihm verlangte. Ich versuchte, mich aufzurichten und die Schultern zu straffen, doch die höllischen Schmerzen kamen sofort wieder. Ich zuckte zusammen. »Ich werde Euch bezahlen. Und zwar sobald ich das Geld wiederhabe, das mir gestohlen wurde. In der Zwischenzeit könnt Ihr die Schulden dem Vicomte von Souboscq zuschreiben. Ich versichere Euch, dass sie beglichen werden!« Sobald ich dazu in der Lage war.
Wir hatten uns bisher in einem angenehmen Tonfall unterhalten, doch plötzlich sprang der Stallbursche in eine der Boxen und schnappte sich eine Heugabel. Er richtete sie auf mich. »Du kannst dein Pferd mitnehmen, sobald du dafür bezahlt hast.«
»Ich habe Euch doch schon gesagt, dass ich ausgeraubt wurde!«
»Und was hat man dir gestohlen? Deine Flöhe? Deine Läuse? Ich glaube dir ja, dass du aus Frankreich kommst, aber ich habe noch nie einen so erbärmlichen Ehrenmann gesehen. Raus hier!« Er ging mit der Heugabel auf mich los.
Ich verließ fluchend den Stall. Es war typisch für die Flamen, diese scheinheiligen und selbstgerechten Menschen, dass sie meinem Adelsstand keinen Respekt entgegenbrachten. In
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