Die Blueten der Freiheit
Ich hatte mit all der Zurückhaltung gehandelt, die mich mein Vetter gelehrt hatte, mit all der Sorgfalt, die ich Gott versprochen hatte, und es hatte zu nichts geführt. Ich hatte kein Geld, keine Verbündeten und keine Wahl mehr. Ich hatte kein Dach über dem Kopf und nichts zu essen.
In dieser Nacht schlief ich in einer Gasse unter den hervorstehenden Dächern der Häuser. Am nächsten Morgen verließ ich die Stadt. Ich war mir sicher, dass meine Versuche zu betteln von meinem Aussehen zunichtegemacht wurden. Niemand schien mir den Ehrenmann abzunehmen, der ich vorgab zu sein. Vielleicht waren die Bauern auf dem Land eher zu überzeugen. Vielleicht würden sie den Menschen hinter den Wunden und dem schäbigen Äußeren sehen und mir Essen und eine Unterkunft gewähren, die ich dringend brauchte.
Zwei Wochen.
Dann würde ich meine Spitze abholen und wieder bei De Grote vorstellig werden, um ihn an unsere Abmachung zu erinnern. Ich würde mir den Dolch meines Vaters und mein Pferd wiederholen. Mit oder ohne Gewalt.
Während ich mit bis zu den Ohren hochgezogenen Schultern voranschritt und mich nach vorne beugte, um gegen den Wind und den Regen anzukämpfen, stellte ich mir vor, was ich tun würde. Und um ehrlich zu sein, verschaffte es mir weitaus mehr Befriedigung, mir vorzustellen, wie ich De Grote dazu zwingen würde, mir die Dinge wiederzugeben, die er mir gestohlen hatte, als wenn er sie mir ohne Gewaltanwendung wiedergegeben hätte.
Mein Weg führte mich zurück in Richtung Lendelmolen. Als die Nacht hereinbrach, kam ich an einer der Windmühlen vorbei, die entlang des Kanals wie Wächter in den Himmel ragten. Ihre Silhouette hob sich vom Abendhimmel ab. Ich schlüpfte durch die unversperrte Tür ins Innere, da ich hoffte, einen Sack Getreide zu finden, von dem ich ein oder zwei Hände nehmen konnte, doch es schien, als hätte ich mir die falsche Mühle ausgesucht, denn sie förderte Wasser, anstatt Getreide zu mahlen.
Ich trat wieder ins Freie und schloss die Tür hinter mir. Dann wanderte ich weiter durch die Nacht. Mein Hunger führte mich bald an die Schwelle einer weiteren Mühle. Diese wurde von einem Müller betrieben, doch es gab keine Säcke mit Getreide, an denen ich mich hätte bedienen können. Ich scheuchte die Mäuse vom Mühlstein und kratzte mit den Händen das Mehl zusammen, das heruntergerieselt war. Dann ließ ich mich zum Schlafen auf den Dielen nieder und versuchte schmerzerfüllt, meine verletzten Schultern nicht noch mehr zu belasten.
Die ganze Nacht über knarrten die riesigen Flügel, und das Getriebe der Mühle ächzte. Um mich herum hörte ich das Ungeziefer schaben und vorbeihuschen. Es erinnerte mich an die Nächte, die ich in den Wäldern von Béarn verbracht hatte. Doch zumindest war ich hier vor dem Regen geschützt. Und der Brei und Schrot in meinem Mund erinnerten mich daran, dass ich etwas gegessen hatte.
Das Geräusch der Segel weckte mich noch vor dem Morgengrauen. Sie zerrten an den Vertäuungen, und der Wind riss an den Segeltüchern. Die ganze Konstruktion ächzte und schien zu schwanken, als würde sie darum bitten, freigelassen zu werden. Es hatte keinen Sinn, weiterschlafen zu wollen und sich auf den leeren Magen zu konzentrieren. Also trat ich hinaus auf die Straße und hinein in den Nebel. Ich lauschte den Möwen, die im Wasser planschten. Beim ersten Tageslicht kam ich im nächsten Dorf an.
Doch dort gab es keine Arbeit, kein Mitgefühl und kein Essen für mich, wie mir der Besitzer des Gasthofes zu verstehen gab. Ich ersparte ihm die Mühe, mich hinauszuwerfen, und stolperte zur Tür hinaus und die Straße hinunter. Das nächste Dorf konnte nicht allzu weit entfernt sein, doch mit jedem Schritt, den ich auf den schlammigen Lehmstraßen vorwärts machte, schien ich zwei Schritte zurückzurutschen. Eine drängende innere Stimme sagte mir, dass ich bald sterben würde, sollte ich weder etwas zu essen noch eine Unterkunft finden. Ich hatte nicht die Kraft, mich ihr entgegenzusetzen, doch ich konnte ihr auch nicht zustimmen. Lisettes Leben hing davon ab, dass ich die Spitze lieferte. Und das Schicksal des Vicomte ebenfalls.
Als ich hörte, wie ein Karren durch die Pfützen fuhr, durch die ich gerade gewatet war, drehte ich mich zu ihm um. Und als der Mann, der die Ochsen lenkte, mir zuwinkte, rührte ich mich nicht vom Fleck. Ich würde diesen Mann dazu bringen, mich zu retten.
»Hey – aus dem Weg.« Er zeigte auf den Straßenrand.
»Ich brauche …«
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