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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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verbissen und verschraubt. Sie konnte keine andere Meinung ertragen und glaubte deshalb, die ganze Welt von ihrer Wahrheit überzeugen zu müssen. Erb hätte diese Frau zu gern mal aufseiner Couch gehabt, rein therapeutisch natürlich. Er war sich sicher, sie musste in ihrer Kindheit einige Kränkungen eingesteckt haben, um so unangenehm zu werden, wie sie heute war.
    «Was wollen Sie jetzt eigentlich von mir? Wenn Ihnen nur daran liegt, mich am Telefon zu beleidigen, dann muss ich Sie enttäuschen. Da habe ich wirklich Besseres zu tun.»
    «Ich will eine Stellungnahme!»
    «Zu was denn bitte schön? Sagten Sie nicht am Anfang unseres unerfreulichen Gesprächs, dass es überhaupt nur wenige Informationen zu diesem angeblichen Mordfall in Ostfriesland gibt? Und solange keine triftigen Beweise vorliegen, dass Gernot Huckler etwas mit der Sache zu tun hat – was ich übrigens nicht im Entferntesten glaube   –, werde ich keine Silbe dazu sagen. Und nun entschuldigen Sie mich.» Tillmann Erb legte auf.
    Im selben Moment klopfte es heftig an seiner Tür. Er zuckte kurz zusammen, dann hörte er die Stimme von Beatrix: «Ihr Termin, Dr.   Erb. Nicht dass Sie ihn vergessen   …»

7.
    Aspen
(Espe oder Zitterpappel)
    Botanischer Name: POPULUS TREMULA
    Die Blüte gegen unerklärliche, vage Ängstlichkeiten und Vorahnungen vor drohendem Unheil
     
    Ganz früher einmal hatte Wencke einen pechschwarzen Kater gehabt. Lange vor ihrem Sohn Emil, lange vor Axel, ach, einfach vor Ewigkeiten. Als sie ihn vor über vier Jahren einschläfern musste, hatte Wencke geschworen, sich nie wieder so einen Vierbeiner anzuschaffen, denn keiner würde je ihr Herz im Sturm erobern wie der faule, verfressene und unglaublich verschmuste Mitbewohner, der ihr schon in den Tagen der Polizeiausbildung um die Beine gestreift war.
    Doch jetzt – im Heuschuppen auf dem Thedinga-Hof in der Westermarsch am Stadtrand von Norden – kam sie ernsthaft in Versuchung, ihren Schwur zu brechen. Fünf bezaubernd maunzende Kätzchen tapsten übereinander, purzelten herum und schienen extra für sie eine kleine, überzeugende Show eingeübt zu haben, deren Sieger Wenckes neues Haustier werden könnte. Eine kleine, getigerte legte das Köpfchen schief und blickte die fremde Kriminalkommissarin treuherzig an. Es würde Wencke nicht wundern, wenn Allegra Sendhorst tatsächlich trotz lauernder Allergene ein paar heimliche Nachmittage hier gewesen war. Hatte Allis Freundin nicht gesagt, es sei auch ein schwarzes Baby dabei? Sie konnte es nicht entdecken. Zum Glück nicht, sonst wäre sie wohl endgültig schwach geworden.
    «Jau, die war hier. Nicht zum ersten Mal. Nettes Mädchen überhaupt.» Bauer Thedinga sprach richtig breit und platt.Er erfüllte das Klischee eines friesischen Landwirtes: graublaue Latzhose, kariertes Hemd (Ärmel hochgekrempelt), merkwürdig zerbeulter Hut – aber immerhin trug er keine Mistforke in der Hand, so weit ging es dann doch nicht. Die Nachricht, dass das Mädchen, welches gestern noch die Kätzchen gestreichelt hatte, ermordet worden war, entlockte ihm zwar einen betroffenen Gesichtsausdruck und ein «Och», aber sonst keine weitere Reaktion.
    «Die mochte Katzen. Hätte eine haben können. War aber wohl verboten. Vom Papa.»
    «Sie hatte Asthma und war eigentlich allergisch dagegen.»
    «Allergisch?», fragte Thedinga, als hörte er diesen Begriff zum ersten Mal. «Sechs neue Katzen. Was soll ich damit?»
    «Es sind nur fünf», korrigierte Wencke.
    «Sechs», widersprach Thedinga, und obwohl Wencke die Tierchen wieder an einer Hand abzählen konnte, verzichtete sie auf weitere Haarspalterei. Sie hatte es hier offensichtlich mit einem Typ Mann zu tun, der wahrscheinlich auch dann noch darauf beharrte, die Erde sei eine Scheibe, wenn sie mit ihm gemeinsam einmal den Äquator abgelaufen wäre. Wencke folgte ihm aus dem Schuppen bis zum Gatter, von dem aus man in die ostfriesische Weite blicken konnte.
    «War sie allein hier? Gestern, meine ich.»
    «Jau.»
    «Und haben Sie sonst vielleicht noch jemanden gesehen? Vielleicht ist Allegra beobachtet worden.»
    «Keinen Schimmer. War auf der Weide. Viel zu tun.»
    «Haben Sie eine Ahnung, wann das Mädchen wieder gefahren ist?»
    «Da fragen Sie was.»
    Er schien nachzudenken. Dazu brauchte es eine Zigarette. Thedinga kramte seinen Tabak hervor und begann mitangenehmer Gelassenheit zwischen seinen erdigen Händen eine Zigarette zu drehen. Auf der vorderen Weide fuhr die Bäuerin mit dem

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