Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
Vom Netzwerk:
Traktor herum. Sie wirkte genauso groß wie ihr Mann, und klamottentechnisch sah es so aus, als bedienten sich die Eheleute aus einem gemeinsamen Kleiderschrank.
    Wencke schabte ihren Schuh über den Pflasterstein. Auf der Suche nach den Thedingas hatte sie eine Strecke über die feuchte Wiese laufen müssen. Die von Grashalmen durchzogenen Lehmklumpen erwiesen sich als hartnäckig. Der Bauer reichte ihr die Seite einer alten Zeitung, die er aus einer Nische neben der Scheunentür gefischt hatte. Viel sauberer als die Schuhe war das Papier eigentlich auch nicht, aber zur Not ging es. Wencke war ja eigentlich keine penible Person, ein bisschen Dreck an den Sohlen war keine Katastrophe, und die Jeansjacke, die durch die Berührung mit einem Holzgatter braungrüne Moosstreifen erhalten hatte, war sowieso langsam reif für den Rotekreuzsack.
    «Hanno hat gesagt, so gegen sechs.»
    «Hanno? Ihr Sohn?»
    «Jau.» Thedinga leckte das Zigarettenpapier und zupfte den überstehenden Tabak weg.
    «Könnte ich mit Hanno sprechen?»
    «Ist nicht da.»
    «Hm. Wann kommt er denn wieder?»
    «Keinen Schimmer. Wohnt ja nicht hier.»
    Es war wirklich nicht so, dass Bauer Thedinga unfreundlich war. Seine Mundwinkel zeigten nach oben, während er die wenigen Silben beim Rauchen mit entweichen ließ, und seine Augen lächelten. Er war eben nur sehr ostfriesisch.
    «Aber gestern war er noch da?»
    «Hatte ein paar Tage frei. Ist ja kein Bauer.»
    «Ist Hanno Ihr einziger Sohn?»
    «Jau.»
    «Oh, dann gibt es womöglich keinen Erben   … Das ist sicher traurig für Sie und Ihre Frau. Sie machen den Eindruck, dass Sie so verwachsen sind mit Ihrem Hof.»
    Thedinga zuckte die Schultern und fummelte sich einen braunen Krümel von der Unterlippe. Die Mundwinkel waren auf einmal nach unten gerutscht. «Besser so. Hanno hat’s nicht so mit Tieren.»
    «Und was macht er?»
    «Er kellnert. Hotel auf der Insel.»
    «Woher weiß er denn, wann Allegra von hier aufgebrochen ist? Hat er sie wegfahren sehen?»
    «Jau.»
    «Woher wissen Sie das so genau? Haben Sie mit Ihrem Sohn darüber gesprochen? Ich meine, haben Sie mit ihm darüber gesprochen, dass Allegra Sendhorst hier war und wann genau sie gefahren ist?»
    «Hanno hat’s erzählt. Einfach so. Hat ihn wohl gefragt, wie spät. Hatte keine Uhr, das Kind.»
    Wencke wusste, der letzte Satz entsprach nicht der Wahrheit. Laut Aussage des Vaters hatte Allegra immer ein Handy dabei, sie hätte also nur auf das Display schauen müssen, wenn sie pünktlich sein wollte. «Sind Sie sicher, dass Hanno das gesagt hat?»
    «Was?»
    «Das mit der Frage nach der Uhrzeit meine ich.»
    «Hm. Doch.»
    Nun, manchmal waren Fragen wie «Kannst du mir sagen, wie spät es ist?» auch nur ein schüchterner Annäherungsversuch. Vielleicht irrte die Freundin sich, und Allegra kam doch nicht nur wegen der Katzen. Wencke behielt ihre Gedanken für sich. «Können Sie mir die Telefonnummer von Hanno geben? Ich würde ihn gern selbst nochmal genauer befragen.Wer weiß, vielleicht hat er eine Kleinigkeit bemerkt, die ihm gestern noch absolut nebensächlich erschien, aber heute, nach den tragischen Entwicklungen, immens wichtig sein kann.»
    «Jau.» Thedinga ging Richtung Wohnhaus, seine dunkelgrauen Gummistiefel schlurften über den Boden, in den das Reifenprofil des Traktors ein kleines Gebirge gedrückt hatte. Ein Hofhund kam schwanzwedelnd angerannt und schnupperte an Wenckes Hose. «Ab!», raunte Thedinga, und das Tier kuschte sich. Wencke bemerkte, dass das Fell am Hinterteil im Gegensatz zu dem struppigen Rest seltsam schwarz und glatt war.
    «Was ist mit dem Hund passiert?», fragte sie.
    «Brandverletzung. Unfall.» Thedinga stieß die Tür auf und zog sich zu Wenckes Verblüffung im Flur die Stiefel aus, um in ausgetretene Pantoffeln zu schlüpfen. «Warten Sie! Kein Dreck im Haus, Gesetz Nummer eins!»
    «Von Ihrer Frau?»
    «Jau.»
    Er ging bis ans Ende des langen, schnurgeraden Flurs und kam recht bald darauf wieder. «Hier», sagte er und reichte Wencke eine schmucke Visitenkarte.
    Hanno Thedinga, Restaurantfachmann, Hotel Inselnest, Spiekeroog,
darunter eine Handynummer und eine Grafik, die die Silhouette eines eleganten Kellners mit Tablett und langer Schürze darstellte.
    «Ganz schön professionell, so eine Visitenkarte. Macht richtig was her.»
    Thedinga sagte nichts.
    Wencke tippte auf die Skizze. «Sieht Hanno auch so aus?»
    «Fast», brummte Thedinga, und ihm war ein wenig Verachtung anzumerken. Für

Weitere Kostenlose Bücher