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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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wurde der Ort im Urlaubskatalog beschrieben.
    Hier rechnet niemand mit etwas wirklich Bösem.
    Und dieses Mädchen am allerwenigsten.
    «Was hast du in deinem Eimer?»
    «Jede Menge Krebse.» «Darf ich mal sehen?»
    «Nee, ich muss los. Bin schon spät dran.»
    «Schade. Na dann   …»
    Ich muss sie vielleicht gar nicht erst weglocken. Vielleicht kann ich sie gleich jetzt schnappen. Wer sollte uns hier sehen? Wir sind mehr als einen Kilometer vom Hauptbadestrand entfernt, an der Stelle, wo das graue, schlickige Watt in den feinen Sandstrand übergeht. Der Weg bis zum Spülsaum ist menschenleer, die Strandkörbe sind verwaist, die Liegestühle zusammengeklappt, die Sonnenschirme gefaltet. Sie sehen aus wie kleine dünne Wächter, sind aber keine. Hier ist niemand. Keiner wird ihre Stimme hören, wenn sie um Hilfe schreit.
    Das ist doch der Reiz an der Sache.
    Diese Angst.
    Meine Angst wird ihre Angst. Meine Qual wird ihre Qual.
    Und ihre Erleichterung wird die meine.
    Eigentlich doch ein Geben und Nehmen.
    Ist das überhaupt böse?
    Gerade ist sie an mir vorbeigehüpft, ich höre die Krebse in ihrem Plastikeimer klappern. Sie summt ein Lied.
    Ich renne los.
    Sie verstummt.

14.
    Crab Apple
(Holzapfel)
    Botanischer Name: MALUS SYLVESTRIS
    Die Blüte gegen Ekelgefühle und den übermäßigen Drang zur Reinigung
     
    Wovor ekelte sich Wencke Tydmers?
    Vor abgeschnittenen Fußnägeln fremder Leute (und von Männern, mit denen sie nur eine Nacht verbracht hatte), vor kohlensäurehaltigen Getränken und vor Parasiten – im übertragenen Sinne auch vor Menschen, die sich parasitär verhielten   –, aber doch in erster Linie vor Würmern, Zecken, Läusen und diesem ganzen Getier. Sie hatte einmal versehentlich in eine Fernseh-Reportage gezappt, wo kernige Weltenbummler davon berichteten, wie sich Fliegenlarven in ihren Körpern zu flugfähigen Insekten entwickelt hatten. Da hatte sie sich fast übergeben müssen.
    Als ihr nun heute Morgen ausgerechnet Kerstin Spangemann mit ihrer glatten, liebmädchenhaften Art das endlich vorliegende Gutachten der Rechtsmedizin Oldenburg zu erklären versuchte, da machte sich Wenckes Magen wieder einmal bemerkbar.
    Sie hatte gerade erst gefrühstückt und erwartete in ungefähr einer Stunde den Besuch eines eifrigen Psychologen, und nun erklärte ihr die zukünftige Frau ihres ehemaligen Mitbewohners, woher die dünnen Blutflüsse und die bleiche Gesichtsfarbe des toten Mädchens stammten.
    «Wir haben so etwas noch nie gesehen, verstehst du? Als die Pathologie alle Blutwerte vorliegen hatte, ist ihnen schon aufgefallen, dass Allegra Sendhorst extrem viel Gerinnungshemmerin den Adern hatte. Genauer gesagt handelt es sich um die Stoffe Heparin und Hirudin. Ihr Blut war so flüssig, als hätte sie sich in den letzten Tagen ausschließlich von Aspirin ernährt. Zugleich aber war viel zu wenig von dem roten Saft in ihr zu finden.»
    «Was meinst du damit?», fragte Wencke müde nach.
    «Ein Mädchen in diesem Alter, bei dieser Größe und dem Gewicht müsste normalerweise mindestens vier Liter Blut im Körper haben.»
    «Aber?»
    «Bei Allegra Sendhorst waren es nur zweieinhalb.»
    «Willst du damit sagen, sie ist verblutet?»
    «Das ist die Todesursache, ja.»
    «Aber sie hatte doch keine Verletzungen.»
    «Äußerlich nicht. Deswegen konnte der Rechtsmediziner auch meine These bestätigen, dass keine Vergewaltigung oder etwas in der Art stattgefunden hat. Das Mädchen war äußerlich unverletzt.»
    «Aber?» Nun lass dir doch nicht alles so elendig aus deiner adrett gepuderten Nase ziehen, dachte Wencke. «Sie ist an inneren Blutungen gestorben.»
    «Wie bitte? Also, ein bisschen Ahnung habe ich auch von der Materie. Und wenn jemand an inneren Blutungen stirbt, dann sieht man es auch von außen. Bei Prügeleien oder Stürzen ist der Körper mit Hämatomen verziert, dass es keinem Blinden entgehen würde. Das Mädchen hat aber nackt im Teich gelegen und war gleichmäßig wachsweiß.»
    «Blutegel», sagte Kerstin.
    Wencke blickte sie scharf an, doch auf dem Gesicht der Kollegin war kein Grinsen zu erkennen. Sonst hätte sich ihr eine ideale Gelegenheit geboten, Axels Zukünftige kaltschnäuzig oder geschmacklos zu finden. Doch Kerstin Spangemann sagte nur einfach «Blutegel». Dann band sie sich dasglattbraune Haar zurück, damit die seidigen Strähnen nicht mehr in ihr ebenmäßiges Gesicht fielen, und brütete weiter über dem Bericht der Rechtsmedizin.
    «Hirudo medicinalis
ist der

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